Die Beute - 2
der verdinglichten Form des Geldes spricht. Das gleißende Gold mit dem rötlichen Feuerschein war seit der Antike das Symbol von Luxus, Schwelgerei, Ausschweifung, Verführung zu jedem Laster, Verderbnis von Sitten und Menschen, geeignet, das Zentralbild einer sozialen Satire zu sein. Und dieses Gold wird in dem »brennenden Paris« wie in einem riesigen »Feuerofen geschmolzen«, und Saccard verspürt eine tolle Lust, seine »fiebrigen Hände« in die Glut zu stecken und »das Gold zu kneten wie weiches Wachs«, und bei jenem abendlichen Besuch auf dem Montmartre, bei dem m Saccards Phantasie ein Goldregen über ganz Paris niedergeht, wandelt ein »blendender Strahl« das Bild so, »daß die Häuser aufflammten und sich aufzulösen schienen wie Goldbarren in einem Schmelztiegel«, so daß schließlich die ganze Stadt »in Flammen steht«, »glühend wie in der Retorte eines Chemikers«. Und was Saccard als Wunschtraum für die ganze Stadt vorschwebt, verwirklicht er an seiner Frau Renée, er »wendete sie hin und her in den Flammen seiner Schmiede, bediente sich ihrer wie eines Edelmetalls, um das Eisen seiner Hände zu vergolden«. Saccards eigener glühender Wunsch, Paris zu erobern und seinen Anteil an der Beute zu erjagen, setzt gleichsam das »Pflaster unter seinen Füßen in Flammen« und läßt in seinen glutvollen Worten »die Millionen wie die Raketen eines Feuerwerks« aufsteigen. Dieser Traum aller von dem glühenden Metall findet schließlich in dem zweiten lebenden Bild auf dem Maskenball der Saccards in der Höhle Plutos eine breite szenische Ausführung: Pluto, der »Gott des Reichtums und der Edelmetalle«, die »Versuchung durch das Gold« – nach der Versuchung durch das Fleisch, durch die Liebesgöttin Venus. Als der »Strahl der Scheinwerfer auf den flammenden Glanz« fällt, sehen die Zuschauer zunächst nichts als »eine einzige Glut, in der Goldbarren und Edelsteine zu schmelzen schienen«. Die Höhle Plutos liegt »in einem Stollen schmelzender Metalle«, in »einer heißen tiefen Schicht«, wie ein »Spalt der antiken Hölle«, und rings um diese Glut sind die goldenen Zwanzigfrancsstücke aufgehäuft zu Bergen. Angesichts dieses Goldstroms gerät die Ballgesellschaft in sinnliche Ekstase. Wieviel Gold, wieviel Geld!
Geld, Gold, Feuer, Wind, Liebesbrunst und Fleischeslust, der heiße Atem der Geschäfte und Genüsse, das ist die Bilderkette, die das strukturell tragende Gerüst der Metaphern entrollt und aus der sich für den Leser die suggestive Wirkung einer einheitlichen Atmosphäre ergibt, die ihn mit sich fortreißt. Zolas Stil war wirklich dieser »grollende Wildbach, breit und von imponierender Gewalt«, wie er ihn sich vorgestellt hatte. Daß er oft billiges Geröll und weniger kostbare Steine mit sich führte, fiel kaum ins Gewicht. Denn Zola war nicht wählerisch in seinen Mitteln. Die einfachsten Metaphern, man könnte sagen, tellurische Urbilder, genügen ihm. Aber ihre ständige Wiederkehr, ihre vielfältige Anwendung, ihre wechselseitige Aufladung läßt sie so über ihren ursprünglichen semantischen Gehalt hinauswachsen, daß sie dem Roman jenes poetische Klima verleihen, das einen literarischen Text von arideren sprachlichen Äußerungen scheidet und ihn zu einem »Kunstwerk« macht.
Diese Qualität der »Beute« ist von den klügsten Kritikern zu Zolas Zeit schon relativ früh erkannt worden, am sichersten in ihrem Negativen und Positiven vielleicht von Maupassant. Er nennt die »Beute« »einen der bemerkenswertesten Romane des Meisters des Naturalismus, blendend und sorgfältig gearbeitet, packend und wahrheitsgetreu, mit zorniger Empörung, in einer farbigen und kräftigen Sprache geschrieben; zwar etwas überladen mit Bildwiederholungen, aber von einer unwiderlegbaren Kraft und einer unbestrittenen Schönheit. Ein eindrucksvolles Bild der Sitten und Laster des Kaiserreiches, von unten bis oben in allen Schichten der sogenannten sozialen Stufenleiter, von den Kammerdienern bis zu den großen Damen.«
Wir können uns diesem Urteil auch heute noch anschließen.
ebook - Erstellung - Februar 2010 - TUX
Ende
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