Die Bibel Verstehen
EINLADUNG
Die Bibel ist Gottes Wort an uns. Für die frommen Juden und für die frühen Christen waren die Worte der Bibel immer heilende Worte und wegweisende Worte. Die Worte Gottes in der Bibel öffneten ihnen die Augen, damit sie ihr Leben verstanden und einen Weg fanden, wie ihr Leben gelingt. Juden wie Christen haben die heilende Wirkung dieser Worte an sich erfahren. Sie gaben Hoffnung, spendeten Trost, heilten Wunden und ermutigten, wieder aufzustehen, wenn man darniederlag.
Heute tun sich viele Christen schwer, die Bibel zu lesen. Sie verstehen die Worte nicht. Es ist eine so andere Sprache. Vielleicht macht ihnen die Sprache Angst, weil da manchmal von Gericht die Rede ist. Oder sie ärgern sich über die kriegerischen Geschichten, in denen Gewalt herrscht. Wir brauchen die richtige Brille, um die Worte der Bibel so zu lesen, dass sie heilsam und wegweisend für uns sind, dass es Worte des Lebens und Worte zum Leben werden.
Die kurzen Einführungen, die ich in die verschiedenen Bücher der Bibel gebe, wollen eine kleine Hilfe sein, die Texte besser zu verstehen. Sie wollen uns die Augen öffnen, damit wir die Worte in einem andern Licht sehen. Aber sie können nur hinführen. Eigentlich müsste ich die einzelnen Texte so auslegen, dass sie uns verständlich werden. Aber das würde das Anliegen dieses Buches übersteigen. So hoffe und wünsche ich, dass die einführenden Worte in die einzelnen Bücher der Bibel ein erster Schritt sind, sich mit der Bibel neu zu befassen. Trauen Sie beim Lesen dem eigenen Gefühl. Assoziieren Sie einfach, was in Ihnen bei den einzelnen Worten aufsteigen will. Ihre Seele hat die Fähigkeit in sich, diese Worte zu verstehen. Doch oft ist diese Fähigkeit zugeschüttet, weil wir es nicht mehr gewohnt sind, in den tieferen Sinn von Worten einzudringen. Es genügt, wenn Sie die Bibel mit drei Haltungen lesen:
Die erste Haltung: Gott sagt mir diese Worte. Sie sind persönlich an mich geschrieben. Gott zeigt mir das Geheimnis meines Lebens. Und er zeigt mir in den Worten seine Liebe und sein Herz.
Die zweite Haltung: Ich versuche, die Worte als Bilder für mein Leben und als Bilder für Gottes Wirken an mir zu verstehen. Ich vergleiche die Bilder der Bibel mit den Bildern, die in meiner Seele aufsteigen, wenn ich die Bibel lese. All die Bilder wollen mir das Fenster öffnen, damit ich in das unbegreifliche Geheimnis Gottes schaue.
Die dritte Haltung: Die Worte der Bibel sind Worte des Lebens. Dort, wo sie Angst in mir auslösen, verstehe ich sie nicht. Die Worte wollen mich einladen, barmherzig und freundlich mit mir umzugehen.
So wünsche ich Ihnen, dass Sie mit neuer Freude und Offenheit die Bibel lesen und sich von der Liebe Gottes treffen lassen, die in den Worten für Sie erfahrbar wird und immer tiefer Ihr Herz durchdringen möchte.
Anselm Grün
EINFÜHRUNG:
DIE BIBEL LESEN
Gotteswort und Menschenwort
Wohl in keinem Buch wird in der gesamten Welt häufiger gelesen als in der Bibel. Die Bibel ist das Buch aller Bücher. Die Juden sehen in den biblischen Büchern des Alten Testamentes das Wort, das Gott nur zu ihnen gesprochen hat. Christen teilen mit den Juden das Alte Testament. In ihm hören Christen Gottes Wort, das auch für sie bleibende Gültigkeit hat. Doch Christen lesen auch das Neue Testament, in dem ihnen die vier Evangelisten und zahlreiche Briefe der Apostel und anderer biblischer Schriftsteller überliefert sind. Für sie kommt das Alte Testament durch Jesus Christus zur Erfüllung und Vollendung.
Was damals geschrieben wurde, verstehen Christen im Licht Jesu auf neue Weise. Wie sie das Alte Testament (oder besser das Erste Testament, wie die frühen Kirchenväter es nannten) lesen sollen, sagt der Apostel Paulus: «Denn was immer geschrieben wurde, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch die Geduld und durch den Trost der Schrift Hoffnung haben» (Röm 15,4). Das Lesen der Heiligen Schrift will also erschließen, wer Gott und wer der Mensch ist, was das Geheimnis der Schöpfung ist und wie menschliches Leben gelingt.
Und Christen lesen die Schrift, um Trost zu erfahren in Haltlosigkeit und Orientierungslosigkeit, in Dunkelheit und Niedergeschlagenheit. Trost meint, dass wir festen Halt bekommen, Standfestigkeit. Trost kommt von Treue, das heißt Festigkeit. Und Trost meint, dass wir nicht allein gelassen sind mit unseren Fragen, sondern dass Gott mit uns geht in unsere Not. Das lateinische Wort für Trost,
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