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Auf Inseln (German Edition)

Auf Inseln (German Edition)

Titel: Auf Inseln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel von Treppen
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                                   Auf Inseln
     
     
                      Science-Fiction
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
                                - 1 -
     
    New Avignon, 12. 06. 1075
    Es war Frühsommer, schon Urlaubszeit. Bestimmte Traditionen schienen nie gebrochen zu werden. Ich war Experte für Traditionen, Experte und Lehrer für Vorgeschichte; Lehrer, aber mundtot gemacht. Ich brauchte in den nächsten Monaten einen Job, sonst sah die Kasse lau aus. Kaum vorstellbar war, dass ein Bistum mich als Lehrer einstellen würde, aber es geschahen hier auch Wunder. Die Temperaturen waren angenehm an diesem Tag, und ich trieb mich an der Südküste rum, nahe der Stadt Athens. Es war ganz beschaulich hier, aber für die Touristikbranche war unsere Küste eine Katastrophe; es gab keine Strände. Genauer gesagt gab es kaum Strände und Strände waren schon ein wenig en vogue, auch wenn das Meer als unheimlich galt.  Bestimmte französische Floskeln waren über die Zeiten bestehen geblieben. Ich hatte versucht, diese Sprache zu lernen, aber kaum eine Idee, wie sie gesprochen wurde. Dabei war Avignon eine französische Stadt gewesen, nicht ganz unbedeutend und exemplarisch, um geistige Würdenträger zu entlarven. Ich kannte mich da aus. Avignon war das Symbol für den Zerfall des Papsttums, Symbol dafür, dass Religionsführer danach trachteten, weltliche Macht zu haben, Symbol dafür, dass sich jeder zum Papst ausrufen konnte, wenn er die Macht dafür besaß. Ich hatte nie verstanden, warum es zu der Namensgebung New Avignon gekommen war, aber nun verstand ich. Ein Kuriosum war, das man hier einen Wein namens Chateneuf de Pape trinken konnte, ein Wein, der ursprünglich in der Gegend um Avignon produziert wurde, der hier - traditionsbewusst - in der Umgebung von Athens angebaut wurde, aber Avignon war überall auf dieser Insel. Inwieweit dieser Wein außer seinem Namen und dem Alkohol noch etwas Gemeinsames mit dem Original hatte, wusste ich nicht.
     
    Diese Insel war unsere Welt. Ich saß an ihrer Südspitze und berauschte mich mit besagtem Wein. Diese Welt war der Irrsinn, ein Irrsinn, der an Dynamik zunahm. Ein Blick auf den Ozean vergewisserte mir, dass die Welt größer war als New Avignon. Die Macht der Bischöfe hörte praktisch an der Küste auf. Warum? Es gab viele Gründe! Einer war, dass das Meeresgetier ungenießbar war. Eine Konsequenz davon war, dass es keine hoch entwickelte Seefahrt gab. Wohin hätte man auch segeln sollen? Eine Zeit lang hatte man den Müll ins Meer gekippt, aber Müll schwamm mitunter. Es war nicht auszuschließen, dass es so etwas wie Fortschritt gab. Jedenfalls wurde nun der an den Küsten der Kontinente entsorgt. Keine Frage, es gab Fortschritt, die Überwachung wurde immer perfider. Der Mensch war ein soziales Wesen und soziale Wesen hatten das Bedürfnis, übereinander informiert zu sein. Die Mächtigen benötigten mehr Informationen als die Machtlosen. Irgendeiner in dieser unendlichen Klerushierarchie wusste, wo ich mich aufhielt. Vielleicht las jemand meine Gedanken. „Es lebe der technische Fortschritt“, dachte ich. Ich wusste, es wurde fieberhaft danach geforscht, Gedanken zu lesen. Etwas, für das unsere Vorfahren kein Verständnis gehabt hätten, aber dass man in die Telepathieforschung investierte, glaubten in New Avignon viele und die Forschung war geheim. Es hatte nichts damit zu tun, dass die Seele unabhängig von der Materie war, es war vielmehr der Griff nach der absoluten Macht, absolute Kontrolle über die Menschen und Kontrolle über diese Welt. Ich war fest davon überzeugt, dass letztlich nur die Erfindung des Mikrochips Kontrolle über diese Welt bieten würde. Aber soweit war es noch nicht gekommen. Die halbe Flasche hatte ich schon getrunken. Ich nahm an, dass mein Trinken schon jede Menge über mich verriet, unabhängig davon, ob ein Vikar an einer bischöflichen Forschungsstelle meine Gedanken lesen konnte oder nicht. Vielleicht konnte es ein Aborigine. Ich hatte nichts gegen diese Kleinen, diese Bringer des Wahnsinns, die unsere Welt auf das beschränkten, was sie war: New Avignon, eine Insel mit sieben Bistümern, Hort des wahren Glaubens, Welt der Neokatholiken, Hort des wahren Monotheismus, Hort einer Vielzahl von Priestern, die wussten, was für uns gut war. Sie interpretierten Gottes

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