Die Biene Maja
stahlblauen Hans Christoph über ihr zerlegt wurde.
»Stellen Sie sich doch nicht an,« sagte die Libelle mit vollem Mund und kaute weiter, »Ihre Empfindsamkeit macht nur geringen Eindruck auf mich. Machen Sie es denn besser? Augenscheinlich sind Sie noch sehr jung und haben sich im eigenen Hause nur wenig umgesehn. Wenn im Sommer das Drohnenmorden in Ihrem Stock beginnt, empört sich die Umwelt nicht weniger, und ich meine, mit mehr Recht.«
Maja fragte: »Sind Sie fertig da oben?« Sie konnte sich nicht entschließen hinaufzusehen.
»Ein Bein ist noch da«, sagte die Libelle.
»Schlucken Sie es bitte herunter, dann werde ich Ihnen antworten«, rief Maja, die genau wußte, weshalb die Drohnen im Sommer im Bienenstock getötet werden mußten, und die sich über die Dummheit der Libelle ärgerte. »Aber unterstehen Sie sich nicht, mir auch nur um einen Schritt näher zu treten. Ich würde mich nicht besinnen, unverzüglich von meinem Stachel Gebrauch zu machen.«
Die kleine Maja war wirklich sehr ärgerlich geworden. Zum erstenmal erwähnte sie ihren Stachel und zum erstenmal freute sie sich dieser Waffe.
Die Libelle machte böse Augen. Sie hatte ihre Mahlzeit beendet und saß nun, etwas geduckt, da, schaute Maja lauernd an und sah aus wie ein Raubtier, das im Begriff ist, sich auf seine Beute zu stürzen. Aber die kleine Biene blieb nun ganz ruhig. Sie konnte nicht recht begreifen, woher ihr Mut kam, aber sie empfand keine Furcht mehr. Sie ließ ein ganz feines helles Summen hören, wie sie es einmal im Stock vom Wächter gehört hatte, als eine Wespe sich dem Flugloch näherte.
Die Libelle sagte drohend und langsam:
»Die Libellen leben in bestem Einvernehmen mit dem Volk der Bienen.«
»Sie tun auch gut daran«, sagte Maja rasch.
»Meinen Sie etwa, ich hätte Furcht vor Ihnen, ich -- vor Ihnen?« fragte die Libelle. Sie ließ mit einem Ruck den Schilfhalm los, der in seine alte Lage zurückschnellte, und sauste mit einem klirrenden, blitzenden Flügelschlag bis dicht auf die Oberfläche des Wassers nieder. Es sah ganz herrlich aus, wie sie sich im See spiegelte, man glaubte zwei Libellen zu sehn, und beide bewegten ihre gläsernen Flügel so rasch und fein, daß es aussah, als fließe ein heller Silberschein um sie her. Es sah so herrlich aus, daß die kleine Maja ihren ganzen Verdruß um den armen Hans Christoph und jede Gefahr vergaß. Sie klatschte in die Hände und rief ganz begegeistert:
»Wie wunderschön. Wie wunderschön!«
»Meinen Sie mich?« fragte die Libelle ganz erstaunt. Aber dann fügte sie rasch hinzu: »Ja, ich kann mich sehn lassen, das ist wahr. Sie hätten die Begeisterung erleben sollen, in die gestern einige Menschen gerieten, die mich am Bach sahn, wo sie sich hingelegt hatten.«
»Menschen?« fragte Maja, »ach, Menschen haben Sie gesehn?«
»Natürlich,« sagte die Libelle, »aber es wird Sie zweifellos auf das lebhafteste interessieren, wie ich heiße, mein Name ist Schnuck, von der Familie der Netzflügler, im besonderen der Libellen.«
»Ach, erzählen Sie von den Menschen«, bat Maja, nachdem sie ihren Namen genannt hatte.
Die Libelle schien versöhnt. Sie setzte sich neben Maja auf das Blatt, und die kleine Biene ließ es zu. Sie wußte, daß Schnuck sich hüten würde, ihr zu nahe zu treten.
»Haben die Menschen einen Stachel?« fragte Maja.
»Mein Gott,« sagte Schnuck, »was sollten sie wohl damit anfangen. Nein, sie haben schlimmere Waffen gegen uns und sie sind uns sehr gefährlich. Es gibt niemand, der nicht Angst vor ihnen hätte, besonders vor den kleinen, bei denen man die beiden Beine deutlich unterscheiden kann. Diese heißen Knaben.«
»Stellen sie Ihnen nach?« fragte Maja, ganz atemlos vor Erregung.
»Ja, ist Ihnen denn das nicht verständlich?« fragte Schnuck mit einem Blick über ihre Flügel. »Ich bin nur selten einem Menschen begegnet, der nicht den Versuch gemacht hätte, mich zu greifen.«
»Weshalb denn nur?« fragte Maja ängstlich.
»Wir haben eben etwas sehr Anziehendes«, sagte Schnuck mit einem bescheidenen Lächeln und sah schräg vor sich nieder. »Einen andern Grund weiß ich nicht. Es ist vorgekommen, daß Leute unserer Familie, die sich haben greifen lassen, die furchtbarsten Qualen und zuletzt den Tod haben erleiden müssen.«
»Sind sie aufgefressen worden?«
»Nein, nein,« sagte Schnuck beruhigend, »das grade nicht. Soviel bekannt ist, nährt sich der Mensch nicht von Libellen. Aber im Menschen leben zuweilen
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