Die Bismarcks
Umgebung einen ersten Anhalt bieten, um die Standorte der untergegangenen Bismarck’schen Herrensitze zu entdecken. Vielleicht ist es noch zu früh, an diesem Zustand etwas zu ändern. Vielleicht müssen noch einmal 25 Jahre ins Land gehen. Aber Polen und Deutschland sollten das verblichene Erbe der Bismarcks nicht gänzlich untergehen lassen. Es wehrt sich gegen sein Verschwinden. Der Besitz ähnelt einem uralten Schiffswrack, das in den Stürmen der Zeit nicht ganz untergegangen ist, aus dem Wasser herausragt und weiterhin nicht sinken will.
Fast hat es den Anschein, als wenn es durch Klaus von Bismarck vor 20 Jahren zu einem Paradigmenwechsel bei der Namensnennung in der Bundesrepublik gekommen ist. Sein Vetter Otto II. , Chef in Friedrichsruh, verließ damals den Deutschen Bundestag in Bonn; Klaus kam in die Nachbarschaft nach Köln. Die Bundesrepublik, im Begriff, sich ein frischeres und moderneres Bild nach den Adenauer-Jahren zu geben, sah in Klaus und seinem Bruder Philipp Repräsentanten des großen Namens, die den Vorstellungen der geteilten Nation, ihrem neuen Selbstbild, besser entsprachen. Klaus von Bismarck ist den heimlichen Wünschen der Deutschen entgegengekommen. Er hat, gewollt oder ungewollt, das Bild bedient, das die Nation nun von den Bismarcks haben wollte. So gesehen, war er ein zeitgeistiger Bismarck, geschmeidig, weniger eckig als sein Bruder und nicht wie der Alte der knorrige Baum. Die Söhne, Töchter und Schwiegertöchter von Klaus und Philipp, so hat es den Anschein, verkörpern heutzutage zusammen mit ihren Kindern den Markennamen »Bismarck« überzeugender als die Schönhausener Linie. Die vielleicht interessanteste Figur ist dabei Ernst von Bismarck, ein Sohn von Klaus, der eine Karriere in der deutsche Industrie zurücklegte, bevor er seinen Lebenstraum verwirklichte, einen Herrensitz in Mecklenburg-Vorpommern zu restaurieren. Er lebt nun wie sein Vorfahr abwechselnd auf dem Lande und mit seiner Frau, einer Tochter des ehemaligen deutschen Botschafters in London Karl-Günther von Hase, in einer Stadtwohnung in Berlin.
Der Zusammenhalt der diversen Bismarck-Familien ist gut. Der Name des Reichsgründers eint sie, führt ihnen unentwegt Energie und Ansehen zu. Die Sprecher des Familienverbandes von Bismarck, einem Verein, dem Ernst von Bismarck vorsteht – sein Stellvertreter ist Ferdinand – sehen sich alle zwei Jahre bei einem Treffen, zu dem auch Familienmitglieder kommen. In den Telefonbüchern der Bundesrepublik und im Internet stößt man auf eine Menge von Bismarcks, die vielfach als Juristen und Anwälte tätig sind. Sie sind zumeist Freiberufler und erfolgreich. Der Name Bismarck ist ein »assett«, sagt Andreas Graf von Bismarck, der Sohn Gottfrieds, ein Angehöriger der Schönhausener Linie. Die Magie des Namens vergeht nicht.
Schluss
Die Bismarcks – eine Bilanz
Die große Überraschung am Ende dieses Buches ist, dass hier erstmals die Geschichte der Bismarcks über einen Zeitraum von knapp 200 Jahren hin erzählt werden konnte. Es ist der Report über eine über weite Strecken unbekannte Familie, die die deutsche Öffentlichkeit nicht kennt. Als der Autor mit den Arbeiten zum Buch begann, hatte er offen gestanden die Sorge, sich entweder jahrelang in Archiven aufhalten zu müssen, um Neues herauszufinden, oder die Sekundärliteratur zu bemühen. Im Grunde genommen sei doch alles über die Bismarcks gesagt und »bekannt«. Entsprechend waren die Reaktionen von Freunden und historisch Interessierten: »Die Bismarcks? Kann man über sie überhaupt noch etwas Neues schreiben?« Der eine oder andere führende akademische Bismarck-Experte vertrat sogar die Auffassung, Herbert von Bismarck und seine Kinder seien wenig ergiebig, die Enkel historisch »nicht relevant«.
Dem ist zu widersprechen. Geschichte ist nicht nur Kanzlergeschichte. Sie dreht sich nicht nur um Fragen der Macht, sondern hat auch Personen und Entwicklungen nachzuvollziehen, die nicht geschichtsmächtig wurden. Generationen von deutschen Historikern haben sich mit dem Reichsgründer Otto von Bismarck befasst. Generationen von Bismarck-Bewunderern haben jede Neuerscheinung über ihn erworben und gelesen. Aber bereits in der Weimarer Republik riss das Interesse an der nachfolgenden Generation ab. Die Geschichte des Reichskanzlersohnes, der beinahe Außenminister und in der Logik des Vaters Reichskanzler geworden wäre, ist nie geschrieben worden. Es ist, als ob eine angekündigte
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