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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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einem mit Kartoffeln beladenen US -Truck über den Fluss. Offiziere der amerikanischen Armee, die vorübergehend Teile des östlichen Elbeufers besetzt hielt, hatten Frau von Bismarck zur Flucht geraten. Ihr Mann geriet mit der Armee Wenck in britische Kriegsgefangenenschaft. Auch er war damit gerettet.
    Ein britischer Besatzungsoffizier, der im Sommer 1945 das Gut des Grafen Waldersee im holsteinischen Lütjenburg besuchte, hatte an einem Sonntagmorgen im Schloss eine zufällige Begegnung mit Philipp: »Plötzlich öffnete sich die große weiße Flügeltür: Strahlend, in gewichsten Stiefeln, makelloser Uniform, mit roten Generalstabsstreifen und vollen Rangabzeichen, betrat Major Philipp von Bismarck den Raum. Welcher Kontrast zu den armseligen demoralisierten Offizieren«, fährt der Autor fort, »deren Anblick mich auf dem Wege nach Waterneversdorf so deprimiert hatte.« 23
    Der britische Besatzungsoffizier war erstaunt. Normalerweise wären Philipp und sein Bruder, der sich ebenfalls im Kraal befand, unter die sogenannte automatische Arrest-Kategorie gefallen. Aber irgendwie hatten sie es verstanden, die zuständigen britischen Truppenoffiziere zu beeindrucken. Gewiss hatte dabei der Name eine Rolle gespielt, aber auch der Auftritt des Majors und des Oberstleutnants. Philipp hatte nach Einschätzung des Offiziers vorgebracht, dass er für den Rundfunk benötigt werde, was ihm offenbar einen ständigen Lagerurlaub eingebracht hatte. Bei der sonntäglichen Begegnung im Waldersee’schen Schloss kam es nun zu einer Diskussion, bei der Bismarck den Briten Militarismus vorwarf. »Aber zumindest rasseln sie nicht mit dem Säbel!«, entgegnete der aus Berlin stammende britische Besatzungsoffizier. Diese erstaunliche Bemerkung Philipp von Bismarcks wenige Wochen nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands bedarf der Erläuterung. Sie zeigt, dass Philipp der Wirkungskraft seines Namens vertraute und dass er sich nach allem Erlebten als Repräsentant eines »besseren Deutschlands« sah.
    Als Bismarck im Kraal nach einem knappen Jahr die Entlassung bevorstand, ging das Gerücht um, dass ihm und zahlreichen weiteren Exoffizieren der Abtransport nach Großbritannien bzw. nach Australien drohe. In den dortigen Lagern herrschten Seuchen, die Gefangenen erhielten Hungerrationen. Mit gefälschten Entlassungspapieren gelang Philipp die Flucht nach Süden, in die französische Besatzungszone. 24 Dort durften ehemalige Wehrmachtsoffiziere zu diesem Zeitpunkt kein Studium aufnehmen, aber Philipp überwand die bürokratischen Hürden. Er wusste, dass seine bisherige Ausbildung als Landwirt und Soldat für eine größere berufliche Karriere zu schmal war. Hinzu kam, dass er in der französischen Zone über eine familiäre Basis verfügte, und zwar in Hinterzarten im Hochschwarzwald, unweit von Freiburg. Seine Schwiegermutter, die Baronin Edith von Wolff, besaß dort den »Birklehof«. Während der Dritten Reichs hatte sich der Komplex aus einer Reihe von Ursachen zu einer Dependance des am Bodensee gelegenen Internats Salem entwickelt. Als es 1932 in Salem eine Scharlachepidemie gab, fanden Kinder und Lehrer Zuflucht bei der Herrin des Birklehofs.
    1944/45 ruhte der Schulbetrieb. Er wurde erst 1946 wieder aufgenommen. Philipp konnte Ende 1945 bei der zweifach verwitweten Frau, die fünf Kinder allein großgezogen hatte, unterschlüpfen und bald darauf ein winziges Studierstübchen in Freiburg beziehen. Seine Familie war inzwischen aus Waterneversdorf ebenfalls in den Hochschwarzwald gekommen. Philipp hatte Frau und Kinder nun in seiner Nähe. Er studierte Volkswirtschaft und Jura und legte das erste juristische Staatsexamen ab. 1950 wurde er bei Walter Eucken, dem Vater der sozialen Marktwirtschaft, promoviert.
    Dank familiärer Kontakte fand er 1951 in der norddeutschen Kaliindustrie einen Arbeitsplatz und ging mit seiner auf mittlerweile sieben Köpfe angewachsenen Familie nach Hannover. Die drei Mädchen waren in Berlin bzw. in Pommern auf die Welt gekommen, gefolgt von den beiden Brüdern in der Freiburger Zeit. Das letzte Kind, erneut ein Mädchen, kam 1951 in Hannover zur Welt. In dem Dorf Bemerode bezog die Familie ihren Wohnsitz. Der Beginn war hart, Bismarck arbeitete zunächst als Düngemittelberater und fuhr mit dem Fahrrad über die Dörfer, zehn Kilometer nach Sehnde und zehn Kilometer wieder zurück.
    Bismarck, zu den ausgedünnten Jahrgängen gehörend, die den Krieg überlebt hatten, machte rasch Karriere. Die

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