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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Wiehnke dreimal ins Angesicht, das sollte den Satan in mir vertreiben, dann wurde das Kreuz geschlagen, die Hand aufgelegt, Salz gestreut und noch einmal etwas gegen Satan unternommen. In der Kirche abermals Halt vor der eigentlichen Taufkapelle. Ich verhielt mich ruhig, während mir das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser geboten wurden.
    Danach fand es Hochwürden Wiehnke angebracht, noch einmal Weiche Satan zu sagen, und er glaubte mir, der ich doch schon immer Bescheid wußte, die Sinne zu öffnen, indem er Oskars Nase und Ohren berührte. Dann wollte er es noch einmal deutlich und laut hören, fragte: »Widersagst du dem Satan?
    Und all seinen Werken? Und all seinem Gepränge?«
    Bevor ich den Kopf schütteln konnte — denn ich dachte nicht daran, zu verzichten — sagte Jan dreimal, stellvertretend für mich: »Ich widersage.«
    Ohne daß ich es mir mit Satan verdorben hatte, salbte Hochwürden Wiehnke mich auf der Brust und zwischen den Schultern. Vor dem Taufbrunnen abermals das Glaubensbekenntnis, dann endlich dreimal Wasser, Salbung mit Chrisam auf der Kopfhaut, ein weißes Kleid zum Fleckendraufmachen, die Kerze für dunkle Tage, die Entlassung — Matzerath zahlte — und als mich Jan vor das Portal der Herz-Jesu-Kirche trug, wo das Taxi bei heiterem bis wolkigem Wetter wartete, fragte ich Satan in mir:
    »Alles gut überstanden?«
    Satan hüpfte und flüsterte: »Hast du die Kirchenfenster gesehen, Oskar? Alles aus Glas, alles aus Glas!«
    Die Herz-Jesu-Kirche wurde während der Gründerjahre erbaut und wies sich deshalb stilistisch als neugotisch aus. Da man schnelldunkelnden Backstein vermauert hatte und der mit Kupfer verkleidete Turmhelm flink zum traditionellen Grünspan gekommen war, blieben die Unterschiede zwischen altgotischen Backsteinkirchen und der neueren Backsteingotik nur für den Kenner sichtbar und peinlich. Gebeichtet wurde in alten und neueren Kirchen auf dieselbe Weise. Genau wie Hochwürden Wiehnke hielten hundert andere Hochwürden am Sonnabend nach Büro-und Geschäftsschluß das haarige Priesterohr im Beichtstuhl sitzend gegen ein blankes, schwärzliches Gitter, und die Gemeinde versuchte, durch die Drahtmaschen hindurch jene Sündenschnur dem Priesterohr einzufädeln, an welcher sich Perle um Perle sündhaft billiger Schmuck reihte.
    Während Mama durch Hochwürden Wiehnkes Gehörkanal den höchsten Instanzen der alleinseligmachenden Kirche, dem Beichtspiegel folgend, mitteilte, was sie getan und unterlassen hatte, was da geschehen war in Gedanken, Worten und Werken, verließ ich, der ich nichts zu beichten hatte, das mir allzu geglättete Kirchenholz und stellte mich auf die Fliesen.
    Ich gebe zu, daß die Fliesen in katholischen Kirchen, daß der Geruch einer katholischen Kirche, daß mich der ganze Katholizismus heute noch unerklärlicher Weise wie, nun, wie ein rothaariges Mädchen fesselt, obgleich ich rote Haare umfärben möchte und der Katholizismus mir Lästerungen eingibt, die immer wieder verraten, daß ich, wenn auch vergeblich, dennoch unabänderlich katholisch getauft bin.
    Oft ertappe ich mich während banalster Vorgänge, etwa beim Zähneputzen, selbst beim Stuhlgang, Kommentare zur Messe reihend, wie: In der heiligen Messe wird die Blutvergießung Christi erneuert, damit es fließe zu deiner Reinigung, das ist der Kelch seines Blutes, wird der Wein wirklich und wahrhaftig, sooft das Blut Christi vergossen wird, das wahre Blut Christi ist vorhanden, durch die Anschauung des heiligen Blutes, die Seele wird mit dem Blut Christi besprengt, das kostbare Blut, mit dem Blute gewaschen, bei der Wandlung fließt das Blut, das blutbefleckte Korporale, die Stimme des Blutes Christi dringt durch alle Himmel, das Blut Christi verbreitet einen Wohlgeruch vor dem Angesichte Gottes.
    Sie werden zugeben müssen, daß ich mir einen gewissen katholischen Tonfall bewahrt habe. Früher konnte ich nicht auf Straßenbahnen warten, ohne gleichzeitig der Jungfrau Maria zu gedenken. Ich nannte sie liebreiche, selige, gebenedeite, Jungfrau der Jungfrauen, Mutter der Barmherzigkeit, Du Seliggepriesene, Du, aller Verehrung Würdige, die Du geboren hast den, süße Mutter, jungfräuliche Mutter,glorreiche Jungfrau, laß mich verkosten die Süßigkeit des Namens Jesu, wie Du sie in Deinem mütterlichen Herzen verkostet hast, wahrhaft würdig und recht ist es, gebührend und heilsam, Königin, gebenedeite, gebenedeite...
    Dieses Wörtchen »gebenedeit« hatte mich zeitweise, vor allen

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