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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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ihm weh. Eine tiefe Schnittwunde hatte sich über seine Rippen gegraben, und in seinem linken Arm klopfte und pochte es.
    Kip überlegte, ob er auf Zymun losgehen sollte, der dastand und seine Hand rieb: Vom Faustschlag, den er Kip versetzt hatte, schmerzten ihm die Finger. Aber Zymun hatte eine Pistole . Er würde es bemerken, wenn Kip zu wandeln versuchte – was ihm im Moment so appetitlich erschien, wie mit Abwasser zu gurgeln –, und Kip kam sich gerade so beweglich vor wie ein Hundertzwölfjähriger. Kip hatte Zymun bereits wandeln sehen, vor langer Zeit. Er zweifelte nicht daran, dass Zymun willens war, seine Pistole auch zu gebrauchen. Er stieg ins Boot.
    »Nimm diesen Gürtel mit den Brillen ab. Dann reiß einen Streifen von deinem Hemd und binde ihn dir um die Augen«, befahl Zymun. »Ganz langsam.«
    Kip tat wie geheißen. Er spürte, wie Zymun die Jolle ins Wasser schob. Kip stürzte vor und riss sich die Augenbinde herunter.
    Zymun klammerte sich mit der einen Hand an den auf dem Wasser tanzenden Bug, war bereits halb ins Boot hineingeklettert und zielte mit der Pistole direkt in Kips Gesicht. »Zurück, zurück!«, rief er. »Ich kann mich hier nicht lange so festhalten, wenn du also in fünf Sekunden nicht wieder sitzt und die Augen verbunden hast, werde ich dir eine Kugel ins Gesicht jagen.«
    Geschlagen nahm Kip wieder auf seiner Bank Platz und legte sich die Binde erneut um die Augen. Er hätte es beinahe geschafft. Beinahe. Der Mantel des Scheiterns passte wie angegossen um seine eingesackten Schultern. Kip Beinahe. Mal wieder.
    Doch nein. Das stimmte so nicht. Dieser Kip war er nicht mehr. Er war nicht dumm. Er war nicht schwach. Er war kein Feigling. Er wurde nicht verachtet und verschmäht.
    Er war jetzt ein Mitglied der Schwarze Garde. Er wurde von den besten Wandlern und Kämpfern der Welt respektiert. Sein Vater hatte ihn anerkannt und angenommen. Er hatte einen König bezwungen, Farbwichte und einen Gott. Er hatte Riesenfehler gemacht: Er war dumm, schwach und feige gewesen und verschmäht worden. Ohne ihn wäre sein Vater nicht von dem Dolch durchbohrt worden. Aber er hatte seinen Vater auch aus den Wellen gezogen, hatte sein Leben gerettet, als niemand sonst es hatte tun können. Das »beinahe« war zur Brille geworden, durch die Kip die Welt sah. Es gab einen Mittelweg, eine goldene Mitte zwischen dem Sohn der Hure und dem Sohn des Prismas. Er war nicht wirklich Kip Gottestöter, aber er war auch nicht der kleine Junge, der vor Ramir kuschte. Nicht mehr. Ich bin das, was ich tue, und ich bin der Brecher.
    Er, der nur durch ein einziges Glas blickt, lebt in Finsternis. Wer Ohren hat, der höre.
    Es ist an der Zeit, dass ich dieses alte Brillenglas zerbreche.
    »Geh an die Ruder«, befahl Zymun. Als Kip blind nach den Rudern griff, hörte er, wie Zymun ins Boot stieg. Dann fühlte er, wie Luxin seine Hände umschloss, sie um die Ruder herum fesselte. »Du ruderst eine Stunde lang, und dann bekommst du zu essen und mehr Wasser. Los! Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, Bruder.«
    Kip begann zu rudern. Sein linker Arm war damit ganz und gar nicht einverstanden. »Bruder?«, fragte er. Seine Stimme klang ruhig, furchtlos, ohne Scham.
    »Mein Großvater, Andross Guile, hat mich zur Chromeria bestellt. Er sagte, aus dem Rest seiner Familie sei nichts geworden. Meinte, dass er in Erwägung ziehe, mich an Kindes statt anzunehmen. Dass er große Pläne mit mir habe.« Er machte eine Pause. »Was, hast du das etwa nicht gewusst? Ich bin der Sohn von Karris und Gavin. Ich bin Zymun Weißeiche.«
    Kip rutschte das Herz von der Brust in die Hose; es schlug ein Loch in die Bodenplanken und tötete auf seinem Weg Richtung Meeresboden ein Dutzend Fische.
    Dann hörte er ein metallisches Kratzgeräusch – Zymun untersuchte die Pistole. Er dachte, Zymun habe vielleicht letztlich doch noch beschlossen, ihn umzubringen. Dann ließ Zymun ein bellendes Lachen ertönen. »Verdammt, was bin ich doch für ein Glückspilz«, sagte er zu sich selbst. »Diese Pistole war noch nicht einmal geladen.«

115
    Gavin erwachte, als ihm jemand ins Gesicht schlug. Er fühlte sich scheußlich. Unter Deck war es dunkel, und es stank nach Männern, die sich seit Ewigkeiten nicht mehr gewaschen hatten, nach Bilgenwasser, Seetang, Fisch und menschlichen Exkrementen. Seine Hände lagen in Ketten, und von einem Lendenschurz abgesehen, war er nackt.
    Eine weitere Ohrfeige traf seine Wange, fest genug, dass er Blut im Mund

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