Die blonde Geisha
mein Leben in Gefahr ist.”
“Weiß sie, dass du zurück nach Amerika gehst?” fragte Simouyé mit erstickter Stimme.
Dieses Mal konnte ich die Angst nicht unterdrücken. Meine grünen Augen verdunkelten sich.
“Das ist nicht wahr, Vater, oder?” rief ich aus, sprang auf die Beine, es war mir egal, ob ich damit eine Regel brach. Mein Vater war mir wichtiger als alle Regeln. Ich rannte in seine Arme und presste schluchzend mein Gesicht an seine Brust. “Du gehst nicht weg, oder? Das darfst du nicht!”
“Solltest du ihr nicht die Wahrheit sagen?” fragte Simouyé. Dieses Mal klang ihre Stimme streng und fordernd.
“Nein, sie wäre in großer Gefahr, wenn sie es wüsste. Sie muss hier bei dir bleiben, Simouyé-san, und lernen, eine Maiko zu werden. Nur wenn ich sie hier lasse, kann ich den Teufeln des Prinzen entkommen.”
Die Frau verneigte sich, ich sah, wie viel Anstrengung sie die nächsten Worte kosteten: “Wie du wünschst, Edward-san.”
Ich wollte nicht glauben, was hier geschah. Konnte es nicht glauben.
“Ich möchte mit dir gehen, Papa”, platzte ich heraus. Ohne nachzudenken, schob ich meinen Traum, eine Geisha zu werden, zur Seite und umklammerte den Ärmel seines Mantels. Mein Ausbruch an Zärtlichkeit erschreckte ihn. Ich dachte schon, er würde seine Meinung ändern. Stattdessen nahm er mein Gesicht in beide Hände und sah mir in die Augen. Ich war blind vor Tränen, die so schnell flossen wie die Regentropfen, die auf das hölzerne Teehaus prasselten, aber seine Worte konnte ich verstehen.
“Ich muss nach Amerika zurück, Kathlene, bis ich einen Weg gefunden haben, das, was ich falsch gemacht habe, wieder in Ordnung zu bringen.”
“Du hast nichts falsch gemacht, Vater. Du bist gütig und nett.”
“Ich wünschte, du hättest Recht, Kathlene, aber dieses Mal habe ich dich im Stich gelassen. Und deswegen muss ich gehen.”
“Warum kann ich nicht mitkommen?” schrie ich, meine Stimme schallte durch das Teehaus. Junge, neugierige Mädchen drängten sich vor der halb geöffneten Tür, starrten mich an, die blonde Gaijin, aber ich achtete nicht auf sie. Ja, ich wollte Geisha werden, aber mein Vater war mir wichtiger.
“Das Risiko ist zu groß, Kathlene. Ich muss so schnell wie möglich reisen und werde nicht immer durch die sichersten Gegenden kommen. Du bleibst hier mit Simouyé-san. Sie ist eine gute Frau und wird dich wie eine Tochter behandeln. Du musst tun, was sie dir sagt, Kathlene, selbst wenn du nicht immer verstehen solltest, wieso. Mein Leben hängt davon ab.”
“Gibt es keinen anderen Weg, Vater?”
“Nein. Ich habe dich nie um etwas gebeten, Kathlene.” Die Stimme meines Vaters war dunkler, als ich sie je gehört hatte. “Du kennst die Sitten dieses Landes und wie wichtig es ist, dass Kinder ihre Pflichten erfüllen.” Er streichelte mein Haar, schob es mir aus dem Gesicht und zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. “Bitte mach mir keine Schande. Gehorche ab jetzt den Regeln von Simouyé-san.”
Seine strenge Stimme ängstigte mich. Ja, ich wusste, wie wichtig Pflichterfüllung in diesem Land war. Die ganze Gesellschaft war auf der Treue gegenüber der Familie aufgebaut.
Ich musste also tun, worum mein Vater mich bat. Um meinen Traum, Geisha zu werden, zu verwirklichen, musste ich den Menschen, den ich am meisten liebte, aufgeben. Meinen Vater. Was für ein unseliges Spiel trieben die Götter mit mir?
Mit bebender Stimme sagte ich: “Ich verstehe.” Ich spürte die Last zahlreicher Blicke aus dunkeln Augenpaaren, die auf mich geheftet waren.
“Bist du sicher, dass du verstehst, was von dir erwartet wird, Kathlene?” fragte mein Vater.
“Ich werde tun, was du wünschst, Vater”, entgegnete ich voller Ehrfurcht. Vielleicht war mir der Ernst der Situation bewusst, vielleicht aber lag es auch an den schwarzhaarigen jungen Mädchen, die mich flüsternd beobachteten. Ich konnte nicht leugnen, dass mir der Gedanke gefiel, mich ihnen, die ihre Neugier so offen zeigten, anzuschließen.
Sie glaubten nicht, dass ich bliebe. Amerikaner sind wie Schmetterlinge, die von Blüte zu Blüte fliegen, hatte ein japanischer Dichter einmal geschrieben, und so rastlos wie das Meer. Ich musste meine eigenen rastlosen Gefühle zurückhalten und warten. Warten, dass mein Vater zurückkam und warten auf den Tag, an dem ich eine Geisha werden würde.
Ich ließ seinen Ärmel los.
Wieder schossen mir Tränen in die Augen, als mein Vater mich auf die Wange küsste. Dann,
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