Die Blüte des Eukalyptus
zu, ich werde einen guten Preis für dich aushandeln. Dein Vater hat keinen Sinn für so etwas. Er trinkt lieber ihren Wein, spielt seine Geige und ist froh, wenn er sich aus dem geschäftlichen Teil heraushalten kann.«
Keziah wurde so nervös, dass ihre Großmutter sie rasch beruhigen musste. »Ich bin zwar alt, aber nicht dumm. Ich werde den Preis in die Höhe treiben, allerdings nicht so hoch, dass sie sich auf Nimmerwiedersehen verabschieden. Ich mache Gem zu deinem Rom, du wirst schon sehen.«
Die Magie ihrer Großmutter hatte gewirkt. Jeder wusste, dass Keziah Gem versprochen war. Er brachte sie mit seinen Zärtlichkeiten so weit, dass sie ihm alles gegeben hätte; er aber wollte lieber bis zu ihrer Hochzeitsnacht warten. Dann würden sie noch früh genug entdecken, dass ihre Körper füreinander geschaffen waren.
Keziahs Stolz auf ihren Rom und ihr gemeinsames Leben wäre vollkommen gewesen, hätte nicht jeder Mondzyklus, der ohne das Versprechen auf ihr ersehntes Kind verging, einen Schatten auf ihr Glück geworfen.
Patronella drängte Gem, sich von Keziah scheiden zu lassen und sich eine fruchtbarere Frau zu suchen; er aber wies dieses Ansinnen wütend zurück.
Nach drei Jahren war Keziah endlich schwanger geworden, doch in der Nacht, als man Gem abgeholt hatte, war ihre Welt zerbrochen – in doppelter Hinsicht.
Keziah verdrängte die schmerzliche Erinnerung an ihre Fehlgeburt. Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass die Magie ihrer Großmutter sie wieder mit ihrem Helden zusammenführen würde. Wie es hieß, war New South Wales ein riesiges Inselgefängnis. Eine Flucht war unmöglich.
Als Keziah den heruntergekommenen Wohnwagen ihrer Großmutter sah, machte ihr Herz einen Sprung. Jahrelang hatte ihre Puri Dai sich hartnäckig geweigert, ihn von ihren Angehörigen in Stand setzen zu lassen. Die Tradition, das wusste Keziah, verlangte, dass dieser vardo zusammen mit allen persönlichen Gegenständen ihrer Großmutter nach deren Beerdigung verbrannt würde, um ihre Seele von der Last materiellen Besitzes zu befreien. Im Gegensatz zu den meisten anderen Mitgliedern ihres Volkes fürchtete ihre Großmutter den Tod nicht, der sie bald holen würde, auch wenn Keziah nicht wahrhaben wollte, dass ihre Puri Dai jemals sterben könnte.
Ohne zu blinzeln, beobachtete die alte Frau, wie Keziah näher kam. Ihre knotigen Hände lagen gefaltet im Schoß, keine noch so winzige Bewegung zeigte sich, bis auf das Flattern der Fransen an ihrem geblümten Schal im Wind. Um ihren runzligen Hals hing ein silbernes Amulett mit eingravierten Zeichen. Feine Fältchen bedeckten ihr Gesicht wie eine Landkarte, auf der jeder Roma-Weg verzeichnet war, den sie in ihren achtzig Jahren zurückgelegt hatte.
Keziah begegnete dem Blick ihrer Großmutter. Sie kniete zu ihren Füßen nieder, nahm die alten Hände in ihre eigenen und küsste zärtlich beide Handflächen. Nachdem sie ihr auf diese Weise ihre Ehrerbietung entgegengebracht hatte, umfasste die alte Frau Keziahs Gesicht. Die Liebe zwischen ihnen ließ sich nicht in Worte fassen.
Hand in Hand betraten sie den vardo . Die Puri Dai schenkte Tee aus dem Messingkessel ein, der auf dem winzigen schwarzen Ofen stand. Sie hatte den Tisch mit dem guten blau gemusterten Geschirr und einem schneeweißen, mit Spitzen verzierten Tischtuch gedeckt. Jedes Möbelstück war perfekt auf die Dimensionen ihrer kleinen fahrenden Welt abgestimmt. Keziah sah, dass sie das Bett ihrer Kindheit aus dem Alkoven geholt und aufgestellt hatte, die Decke war zurückgeschlagen.
»Du wusstest, dass ich komme, nicht wahr?«
Die Puri Dai nickte. »Eine Schwalbe hat es mir erzählt. Diese Frau mit der Schlangenzunge kann dich nicht daran hindern, Gem zu folgen.«
»Patronella hat mich mit Flüchen überhäuft! Ich werde niemals in der Lage sein, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen. Gem wird sich von mir scheiden lassen. Und ich werde als Hure enden.«
»Diese Hexe ist rasend eifersüchtig auf dich, weil Gem dich liebt. Du bist nicht unfruchtbar. Wenn Gott die Zeit für gekommen hält, wird dein Körper neues Leben zeugen.«
Die Puri Dai strich Keziah übers Haar und forderte sie auf, den Tee zu trinken und den Kuchen zu essen, den sie für sie gebacken hatte. »Und dann spreche ich mit unseren Ahnen über dich.«
Keziah nahm auf dem Kissen zu Füßen der alten Frau Platz, die reglos dasaß. Das goldene Licht der Kerzen tanzte über ihr schneeweißes Haar, und ihr Gesicht spiegelte nichts als
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