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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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hat. Seit 1996 kann man sie auf vielen amerikanischen Radiostationen als Gastgeberin von Sound Spirit hören (www.wgbh.org/pri/spirit).

Winter

Kapitel Eins

    Der dritte November war ein so dunkler Tag, dass man nicht am Licht allein erkennen konnte, ob die Glocken der Abtei zur Terz oder zur Vesper riefen. Die Fackeln waren bereits am Mittag entzündet worden und rauchten träge in der drückenden Luft. Regen fiel mit trostlosem Rauschen – ein kalter, leichter Regen, der bereits seit drei Tagen unablässig niederging. Zu Allerheiligen hatte es einen großen Sturm gegeben, einen wahrhaftigen Hexensabbat mit Hagel, Blitz und Donner wie Kriegsgetrommel. Bei Tagesanbruch hatte er nachgelassen, aber nicht aufgehört. Alte Männer sagten, dass es seit den Tagen ihrer Ahnen keinen solchen Regen mehr gegeben hatte.
    Aus dem Eingang zur Küche stolperte ein Küchenjunge in den lehmigen Hof hinaus und machte sich mit einem Abfallkübel auf den Weg zum Dunghaufen. Der Kübel war schwer und der Küchenjunge nur ein schmächtiges, müdes Bürschlein; er stolperte über einen Absatz und ließ seine Last fallen. Kartoffelschalen und Fleischabfälle verstreuten sich.
    »Der Teufel hole diese verrotteten Stufen!«, schrie Ned und stampfte mit dem Fuß auf. Da kamen ein dumpfes Geräusch und ein schwerer Seufzer aus den Schatten hinter ihm. Ned vergaß die Abfälle; er fuhr herum und kniff die Augen zusammen. In dem starken Regen, der Finsternis und dem Ungewissen Licht der Fackeln dauerte es einen Moment, bis er die Gestalt eines mantellosen und zitternden Mannes erkannte, der sich in den Schlamm vor der Schlossmauer gekauert hatte. Ned kam näher. Der Mann hob den Kopf und sagte: »Ich bin gekommen, um dem König zu dienen.«
    Dreitägiger Regen, Fackeln zur Mittagszeit und zerlumpte Fremde an des Königs Küchentür waren die rechten Zutaten für eine schaurig-schöne Winterabendgeschichte vor dem Kamin und überstiegen daher Neds Horizont bei weitem. Der entsetzte Junge starrte mit offenem Mund in das hohlwangige und schmutzige Gesicht des Mannes, drehte sich um und wollte fliehen. Doch der Fremde packte ihn beim Wams und hielt ihn fest.
    »Hilf mir auf die Beine, Knabe.«
    Seine Stimme war hell und sanft; sie klang nicht wie das Brummen eines Gesetzlosen. Ned fasste Mut und betrachtete den Fremden näher. Er war bartlos und unter dem Schmutz war seine Haut bleich und von blutigen Kratzern verunstaltet.
    Hier hockte wirkliches Elend. Ned reichte dem jungen Mann die Hände und zog so herzhaft an ihm, dass sie beinahe beide in den Schlamm gefallen wären. Einen albtraumhaften Augenblick lang rangen sie miteinander und drohten in dem dreckigen Hof das Gleichgewicht zu verlieren, doch dann konnte sich Ned an der Mauer abstützen und mit einem Arm unter die schlaff herabhängende Schulter des jungen Mannes greifen.
    Keuchend half er ihm in die Küche und blieb mit ihm am Rande des Gehastes und Geschreis stehen, das die Vorbereitung des königlichen Mittagessens begleitete. Was sollte er jetzt tun?
    »Bring mich zum Koch des Königs, Knabe«, sagte der junge Mann. »Ich möchte mit ihm sprechen.«
    »Also wirklich, Sir, das tätet Ihr besser nicht«, meinte Ned. »Master Hardy ist äußerst mürrisch, bis der letzte Gang aufgetragen ist, und ich wag’s nicht, ihm vorher zu nahe zu kommen.«
    »Wo ist er denn? Ich werde selbst zu ihm gehen.« Der junge Mann rückte von Neds Schulter ab und betrachtete neugierig das Bild, das sich ihm bot. Unterköche und Aufträger schwärmten und rempelten um die langen Bocktische; Küchenjungen schossen hierhin und dorthin und waren beladen mit irdenen Krügen und hölzernen Schüsseln. Der Raum brodelte wie ein Kochtopf; die schrillen Stimmen und das Schaben der sich drehenden Bratspieße vermischten sich mit dem Klappern eiserner Töpfe und Schöpfkellen zu einem herrlichen, chaotischen Lärmeintopf. Als der junge Mann einen Schritt nach vorn machte, erhob sich über dem Gewimmel ein wütendes Gebrüll.
    »Hirnloses Kind einer schielenden Sau! Hast deine Finger gefettet? Hast Dummheit studiert? Geh, studier den Spieß und schmier deinen Verstand ein, du Eingeweide!«
    Der junge Mann streckte den Kopf in die Richtung des Aufruhrs. »Master Hardy?«
    »Jawohl.«
    Bevor Ned den Arm oder andere Hilfe anbieten konnte, hatte sich der junge Mann in das lebende Labyrinth vor ihm gestürzt. Sein Ziel war ein gewaltiger Ausbund an Raffinesse, ein in Zuckerfäden versponnener Rehbock, in die Enge getrieben

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