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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Die Zentrale des ACS-Konzerns befand sich im achten Stock. Der Blick ging über das Autobahnkreuz Frankfurter Ring bis hinüber zum Waldstreifen entlang der Isar.
    Jakob Linder trommelte gegen die Scheibe und überlegte: Reissner? Was, zum Teufel, war in den Mann gefahren? Schon bei der letzten Besprechung, als es um die elende Sachsen-Geschichte ging, hatte er irgendwie … nun ja, zerstreut konnte man nicht sagen, aber teilnahmslos, in sich gekehrt, abwesend. Und jetzt? Jetzt fährt er die Karre derartig in den Sand. Dabei hast du ihn aufgebaut. Keine Frage: Reissner ist dein Mann! Du hast seine Ernennung zum Leiter der Stabsabteilung ›Rationalisierung‹ durchgesetzt und ihm damit sogar den Weg zu einer Vorstandskarriere geöffnet. Immer hast du dich für Reissner stark gemacht. Und warum? Warum denn nicht, gottverdammt noch mal?! Tüchtig wie er war. Tüchtig und stur. Und er hat immer zu dir gehalten. Jetzt aber, jetzt werden sie dir im Aufsichtsrat genau das ankreiden. Und du kannst noch nicht mal was dagegen machen …
    Jakob Linder betrachtete die Verkehrsströme unten auf der Straße, er sah Reihenhäuser, Bäume und in der Ferne einen Zwiebelturm. Und er sah einen grau verhangenen Himmel – und sah alles doch nicht.
    Reissner – ausgerechnet Reissner!
    Hinter ihm war das leise Geräusch einer sich öffnenden Tür.
    Er drehte sich um. Linder war untersetzt, muskulös, hatte einen runden Kopf. Er war ein Kraftpaket in Nadelstreifen, das seine Energie nur mühsam zu dosieren wußte: Wenn der Chef hochgeht, geht's rund.
    Der Blick der eisgrauen Augen war wie eine Sperre. Sie blieben in der Mitte des großen Raumes stehen.
    »Wie schön! Da seid ihr ja!« Seine Stimme troff vor Hohn: »Wie schön, Sie hier zu sehen.«
    Sie sahen sich an. Und schwiegen.
    »Damit gleich alles klar ist: Das Thema heißt im Moment nicht ›Pleite in Stollberg‹, es heißt Reissner. Wieso ist er nicht hier? Wo, zum Teufel, steckt er? Was ist in ihn gefahren? Wie kommt er dazu, eine derart erbärmliche Vorstellung abzuliefern?«
    Wegner zog die buschigen Augenbrauen hoch. »Ja nun …«, sagte er. Und dann nichts mehr.
    »Ja nun?« höhnte Linder. »Ist das alles, Herr Wegner? Nach dem, was ich bisher in Erfahrung bringen konnte, war Stollberg so ziemlich der übelste und kläglichste Auftritt, den sich Manager dieses Konzerns jemals geleistet haben. Und das auch noch in dieser Situation! Und dann Reissner. Einfach abzuhauen, sich wie ein Schuljunge zu verstecken, kein Wort der Erklärung abzuliefern … Wie kam es dazu? Wie erklären Sie sich das, Herr … Herr Soltau? Schließlich sind Sie sein Assistent.«
    Der junge Soltau machte eine ruckartige Bewegung mit der rechten Schulter. Sein Mund war starr.
    »Ich hab' Sie was gefragt.«
    »Verzeihung, Herr Linder, aber ich verstehe die Frage nicht.«
    »Nein? Sie verstehen nicht? Wahrscheinlich haben Sie hier noch nie was verstanden. Aber vielleicht können selbst Sie nachvollziehen, daß ich nicht daran denke, diese Blamage auf mir sitzenzulassen. Also nochmals: Was wurde zuvor abgesprochen? Welche Schritte hat Ihnen Reissner vorgegeben? Wie war die Planung?«
    »Wir sollten zunächst die Betriebsführung, dann die Belegschaft …«
    »Die Planung? Irgendwelche Abmachungen müßt ihr doch getroffen haben! Wie benahm sich denn Reissner?«
    Ilse Müller-Neubert gestattete sich ein kleines Lächeln, dünn zwar, aber doch aufschlußreich genug, um zu demonstrieren, daß sie mit dieser ganzen Geschichte nichts zu tun hatte. Ihre Sache war das Protokoll. Und natürlich ein erster Vorausbericht an Linder. Den hatte sie abgegeben. Und auch sonst war ihr nicht anzusehen, was hinter ihr lag. Sie hatte sich eine frische Bluse angezogen, die Locke in perfekte Fassung gebracht – und ihr Lächeln, ja nun, ihr Lächeln war so unterkühlt wie immer.
    »Wenn Sie so fragen, Herr Linder, ja, da muß ich schon sagen, daß es Herrn Dr. Reissner von Anfang an nicht besonders gut zu gehen schien.«
    »Von Anfang an?«
    »Ja, schon während des Fluges. Er war sehr schweigsam. Außerdem …«
    »Ja?«
    »Vielleicht hat das nichts zu bedeuten, ich hab' mir auch nicht viele Gedanken darüber gemacht, aber vielleicht gab's da irgendwelche körperlichen Schwierigkeiten. Jedenfalls bat er schon beim Hinflug den Copiloten um ein Glas Wasser. Er brauchte es für seine Tabletten. Er schien sie sehr nötig zu haben.«
    »Aber Reissner verträgt doch das Fliegen!«
    »Deshalb fiel's mir ja auch auf! Er hatte

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