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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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P ROLOG

     
    Frauen fühlen es, wenn sie beobachtet werden. Sie haben dafür eine Art sechsten Sinn. Das jedenfalls hatte ihre Mutter immer behauptet. Suor Francesca hob den Kopf. Was sie bislang nur für das Geplapper einer alten Frau gehalten hatte, wurde für sie jetzt zu einer unumstößlichen Wahrheit. Die Härchen am Haaransatz des Nackens kitzelten, und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie war nicht mehr allein. Irgendwo in der Dunkelheit stand jemand und beobachtete sie. Keinen Augenblick zweifelte sie daran. Mit einer raschen Bewegung drückte sie das Licht ihrer kleinen Öllampe aus. Sofort schlug die Schwärze der Nacht über ihr zusammen. Sie lauschte in die Dunkelheit hinein und hörte ein unterdrücktes Atmen, das hier im Kloster zu dieser Zeit nicht hätte sein dürfen. Ihr war, als hätte die Nachtschwärze die zweite Person näher an sie herangetragen, statt sie durch die tintene Finsternis von ihr zu trennen. Suor Francesca erhob sich. Ihr Habit raschelte, und das Geräusch klang in ihren Ohren, als würde es gegen die Nacht anschreien. Sie hätte stillhalten sollen, sich nicht rühren. Doch der nasse Saum ihrer Kutte tropfte vernehmlich. Jetzt hatte sie ihren Aufenthaltsort jedenfalls endgültig verraten und musste handeln.
    Seit vierzig Jahren lebte sie hinter den Klostermauern von San Lorenzo. Jeder Gang, jede Abkürzung, sogar die beiden geheimen Türen, die hinter gewirkten Wandbehängen durch Zwischenmauern führten, waren Suor Francesca bekannt. Jeden noch so fernen Winkel in diesem Gemäuer würde sie mitgeschlossenen Augen finden. Schon deshalb, weil sie in den Jahren ihres Eingesperrtseins alles über die Architektur des Klosters gelernt hatte. Selbst die Windrichtungen unterschied sie am Geruch. Die nördliche Wasserseite des Klosters roch anders als die südliche Inselseite. Der Schatten hinter ihr würde es demnach nicht allzu leicht haben, ihr zu folgen. Suor Francesca lächelte im Dunkeln. Angst verspürte sie nicht. Dennoch beunruhigten sie die Entwicklungen, die die Dinge nahmen. Seit sie den Schlüssel entdeckt hatte, schien sich die Dunkelheit wie eine Schlinge um sie zuzuziehen. Ihre Zelle wurde durchwühlt, ihr Gebetbuch fehlte, ein Schatten folgte ihr. Dabei hatte sie nur einer Vertrauten davon erzählt, und die verging vor Angst in der Nacht. Niemals würde sie durch die dunklen Flure hinter ihr herschleichen. Suor Francesca huschte durch den Innenhof des Kreuzgangs in Richtung Kanal und verschwand hinter einer der Türen, die zum Refektorium führten. Womöglich bildete sie sich alles nur ein, war alles nur die überreizte Fantasie einer Nonne. Sie hielt kurz inne und lauschte. Hinter ihr hallten Schritte nach, bevor auch sie verstummten. Getäuscht hatte sie sich also nicht. Tatsächlich folgte ihr jemand. Suor Francesca atmete durch. Wer immer hinter ihr herschlich, er würde sich wundern.
    Den Schlüssel, den sie noch in der Hand hielt, musste sie allerdings loswerden. Was auch geschehen mochte, bei ihr durfte er nicht gefunden werden. Suor Francesca schlüpfte hinter einen der bodenlangen Teppiche und öffnete die Pforte dahinter. Damit gelangte sie in einen kurzen Gang, der direkt in die Küche führte und hinter einem Topfregal endete. Geräuschlos schob sie dieses beiseite und stand in der Küche.
    Dort roch es süßlich nach Blut und Fett. Hühner waren geschlachtet, gebrüht und gerupft worden. Zielsicher steuerte sie in der völligen Dunkelheit des Raumes den Ort an, den sie für den sichersten hielt. Keine drei Atemzüge brauchte sie, dann war der Schlüssel verborgen.
    Nur ein Zufall oder das Wissen um sein Versteck würden ihn wieder zutage fördern. Suor Francesca huschte aus dem Raum und horchte sich um: keine Schritte, kein Atmen, kein Rascheln von Kleidungsstücken. Sie hatte ihren Verfolger abgeschüttelt. Zufrieden fuhr sie sich mit der Hand über das Gesicht. Es war verschwitzt. Die Nachstellung hatte sie stärker angestrengt, als sie sich zugestand.
    Durch ein Fenster konnte sie auf den mondhell erleuchteten Turm der Kirche blicken. Bald würde die Glocke zur Messe läuten. Es lohnte sich nicht mehr, in ihre Zelle zurückzukehren. Beruhigt wartete sie in einer Nische des Gangs, bis die Turmuhren schlugen und sich die Schwestern auf den Weg in den Nonnenchor begeben würden.
    Sie verharrte stumm und reglos wie eine Statue. Nur in ihrem Kopf arbeitete es. Wer mochte sie und ihre Aktivitäten entdeckt haben? Die Äbtissin des Klosters? Was Suor

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