Die Bourne-Identität
das könnte es, aber ich weiß, daß es unmöglich ist.«
Der Attaché in der amerikanischen Gesandtschaft an der Avenue Gabriel betrat das Büro des Ersten Sekretärs und schloß die Tür. Der Mann am Schreibtisch blickte auf.
»Sind Sie sicher, daß er es ist?«
»Ich bin nur sicher, daß er die richtigen Worte gebraucht hat«, sagte der Attaché und trat an den Schreibtisch. Er hielt eine rotgeränderte Karteikarte in der Hand. »Da ist die Fahne«, sagte er und reichte sie dem Ersten Sekretär. »Ich habe die Worte überprüft, die er gesagt hat, und wenn diese Fahne stimmt, würde ich sagen, er ist es.«
Der Mann hinter dem Schreibtisch studierte die Karte. »Wann hat er den Namen Treadstone gebraucht?«
»Erst nachdem ich ihn überzeugt hatte, daß er mit niemandem in der US-Abwehrbehörde sprechen würde, solange er mir nicht einen verdammt guten Grund dafür geliefert hatte. Ich denke, er war der Meinung, ich würde einen Nervenzusammenbruch erleiden, wenn er sagte, daß er Jason Bourne wäre. Als ich ihn einfach fragte, was ich für ihn tun könnte, schien er wie benommen, gerade, als wollte er jeden Augenblick auflegen.«
»Hat er nicht ein Wort darüber gesagt, daß wir auf ihn warten?«
»Darauf habe ich gewartet, aber er hat es nicht gesagt. Nach dieser Skizze aus sechs Worten - >Erfahrener Außendienstbeamter. Mögliche Fahnenflucht oder Feindübertritt< - hätte er einfach nur das Wort >Fahne< zu sagen brauchen, und alles wäre klargewesen. Aber das hat er nicht getan.«
»Dann ist er es vielleicht doch nicht.«
»Der andere Rest stimmt. Er hat gesagt, daß Washington ihn seit mehr als sechs Monaten sucht. Dabei hat er den Namen Treadstone gebraucht. Er käme von Treadstone; sagte er mir als Überraschungseffekt. Außerdem solle ich die Codeworte Delta, Cain und Medusa weitergeben. Die beiden ersten stehen auf der Fahne; die habe ich überprüft. Ich weiß nicht, was Medusa bedeutet.«
»Ich weiß überhaupt nicht, was das alles bedeutet«, sagte der Erste Sekretär. »Nur, daß ich Anweisung habe, sofort in die Nachrichtenzentrale zu rasen, sämtlichen Zerhackerverkehr nach Langley aus der Leitung zu fegen und eine sterile Verbindung zu einem Spion namens Conklin zu besorgen. Von ihm habe ich allerhand gehört: soll ein ganz übler Schweinehund sein, dem vor zehn oder zwölf Jahren in Nam der Fuß abgeschossen worden ist. Er drückt ganz seltsame Knöpfe in der Firma. Außerdem hat er die Reinigungsaktionen überlebt, und das bringt mich auf die Idee, daß er ein Typ ist, den die nicht so gerne auf der Straße rumlaufen lassen, um sich einen Job zu suchen. Oder einen Verleger.«
»Wer glauben Sie denn, daß dieser Bourne ist?« fragte der Attaché. »Ich habe in den ganzen acht Jahren, die ich jetzt im Ausland tätig bin, noch keine so konzentrierte und andererseits so schlaffe Jagd auf einen einzelnen Menschen erlebt.«
»Jemand, den sie dringend haben wollen.« Der Erste Sekretär erhob sich von seinem Schreibtisch. »Vielen Dank für das hier. Ich werde Washington sagen, wie gut Sie das erledigt haben. Wie ist denn der Zeitplan? Er wird Ihnen ja wahrscheinlich keine Telefonnummer gegeben haben.«
»Nein. Er wollte in fünfzehn Minuten wieder anrufen», aber ich spielte den gehetzten Bürokraten und sagte ihm, er solle sich etwa in einer Stunde wieder melden. Das wäre nach fünf Uhr, und wir könnten weitere ein oder zwei Stunden gewinnen, wenn ich um die Zeit gerade essen bin.«
»Ich weiß nicht. Ich will nicht riskieren, daß wir ihn verlieren. Ich werde das von Conklin arrangieren lassen. Er ist hier die oberste Instanz. Niemand unternimmt in bezug auf Bourne etwas, das nicht von ihm genehmigt ist.«
Alexander Conklin saß in Langley, Virginia, hinter dem Schreibtisch seines Büros mit den weißen Wänden und hörte sich den Mann von der Botschaft in Paris an. Er war überzeugt davon, daß es Delta war. Der Hinweis auf Medusa war der Beweis, denn es gab außer Delta niemand, der diesen Namen kennen konnte. Dieser Dreckskerl! Er spielte den gestrandeten Agenten, seine Kontaktleute in Treadstone reagierten nicht auf die richtigen Code-Worte - wie auch immer sie lauten mochten -, weil Tote nun mal nicht mehr sprechen können. Und das benutzte er dazu, um sich selbst aus der Schußlinie zu ziehen! Nerven hatte dieser Bastard, unglaublich! Bastardl Er tötet zuerst die Kontrollpersonen, um die Jagd abzublasen. Wie viele Männer hatten das schon vor ihm getan, dachte Alexander Conklin.
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