Die Bourne-Identität
keine Zeit, auf Ihre Gefühle Rücksicht zu nehmen.«
»Ich habe keine Gefühle mehr. Sagen Sie, was Sie wollen.«
»Ihre Frau hat Ihnen erzählt, daß Sie Französin sei, nicht wahr?«
»Ja. Aus dem Süden. Ihre Familie stammte aus Loures Barouse, in der Nähe der spanischen Grenze. Sie ist vor Jahren nach Paris gekommen und hat hier bei einer Tante gelebt. Warum?«
»Hatten Sie ihre Familie je zu Gesicht bekommen?«
»Nein.«
»Sie sind also zu Ihrer Hochzeit nicht hierher gekommen?«
»Wir waren unter Berücksichtigung aller Umstände der Ansicht, daß es am besten wäre, sie nicht einzuladen. Der Altersunterschied hätte sie vielleicht gestört.«
»Und was war mit der Tante hier in Paris?«
»Die ist gestorben, ehe ich Angelique kennenlernte. Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ihre Frau war keine Französin, ich bezweifle sogar, daß es eine Tante in Paris gegeben hat, und ihre Familie kam nicht aus Loures Barouse, obwohl die spanische Grenze schon einige Bedeutung hat. Damit könnte man vieles tarnen und eine Menge erklären.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Sie war Venezolanerin. Carlos' erste Cousine, seine Geliebte seit ihrem vierzehnten Lebensjahr. Sie waren ein Team, waren das seit Jahren. Man hat mir gesagt, daß sie der einzige Mensch auf der ganzen Welt war, der ihm etwas bedeutete.«
»Eine Hure.«
»Ein Instrument eines Meuchelmörders. Ich möchte wissen, wie viele wertvolle Männer ihretwegen tot sind.«
»Zweimal kann ich sie nicht töten.«
»Aber benutzen können Sie sie. Ihren Tod benutzen.«
»Der Wahnsinn, von dem Sie gesprochen haben?«
»Der einzige Wahnsinn ist es, wenn Sie Ihr Leben wegwerfen. Carlos ist dann der große Gewinner; er begeht weiterhin Verbrechen ... operiert mit Dynamitladungen ... und Sie sind nicht mehr als eine Ziffer in einer Statistik. Ein weiterer Mord in einer langen Liste distinguierter Leichen. Das ist Wahnsinn.«
»Und Sie sind der Vernünftige? Sie nehmen die Schuld für ein Verbrechen, das Sie nicht begangen haben, auf sich? Für den Tod einer Hure? Lassen sich für einen Mord jagen, der nicht der Ihre war?«
»Das ist ein Teil davon. Der wesentliche Teil sogar.«
»Sprechen Sie nicht von Wahnsinn, junger Mann. Ich flehe Sie an, gehen Sie. Was Sie mir gesagt haben, gibt mir den Mut, vor den allmächtigen Gott zu treten. Und wenn ein Tod je gerechtfertigt war, dann war das der ihre von meiner Hand. Ich werde Christus in die Augen sehen und es schwören.«
»Dann haben Sie sich abgeschrieben«, sagte Jason und bemerkte zum erstenmal die Waffe, die die Jackettasche des alten Mannes ausbeulte.
»Ich werde nicht vor Gericht stehen, wenn Sie das meinen.«
»Oh, das ist perfekt, General! Carlos selbst hätte es nicht besser arrangieren können. Er braucht nicht einmal die eigene Waffe einzusetzen. Aber diejenigen, auf die es ankommt, werden wissen, daß er es getan hat; daß er dahinterstand.«
»Diejenigen, auf die es ankommt, werden nichts wissen. Es ist eine persönliche Angelegenheit. Was Mörder und Diebe sagen, trifft mich nicht.«
»Und wenn ich die Wahrheit sagte? Sagte, weshalb Sie sie getötet haben?«
»Wer würde auf Sie hören? Selbst wenn Sie lange genug lebten, um sprechen zu können. Ich bin kein Narr, Monsieur Bourne. Sie fliehen vor mehr als nur Carlos. Sie werden von vielen gejagt, nicht nur von einem. Das haben Sie mir ja praktisch gesagt. Sie waren nicht bereit, mir Ihren Namen zu nennen ... um meiner eigenen Sicherheit willen, behaupteten Sie. Falls das hier je vorbei sein sollte, sagten Sie, wäre ich es, der vielleicht keinen Wert darauf legen würde, mit Ihnen gesehen zu werden. Das sind nicht die Worte eines Mannes, auf den man großes Vertrauen setzt.«
»Sie haben mir vertraut.«
»Ich habe Ihnen gesagt, weshalb«, sagte Villiers und wandte den Blick ab, starrte seine tote Frau an. »Es stand in Ihren Augen.«
»Die Wahrheit?«
»Die Wahrheit.«
»Dann sehen Sie mich jetzt an. Da ist immer noch die Wahrheit. Auf jener Straße nach Nanterre sagten Sie, Sie würden sich anhören, was ich zu sagen habe, weil ich Ihnen Ihr Leben gegeben habe. Ich versuche, es Ihnen wieder zu geben. Sie können als freier Mann weggehen, ohne daß jemand Sie antasten kann, können sich weiterhin für die Dinge einsetzen, von denen Sie sagen, daß sie für Sie wichtig sind, Ihrem Sohn wichtig waren. Sie können gewinnen! ... Verstehen Sie mich nicht falsch, ich versuche hier nicht edel zu sein.
Wenn Sie am Leben bleiben und das tun,
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