Die Bourne-Identität
hat - daß er die Hure getötet hat, die maßgeblich mitschuldig am Tod Ihres Sohnes ist - möchte er, daß Sie eine schriftliche Nachricht übermitteln.«
»An Carlos?«
»Nein. Er wird einen Mittelsmann schicken.«
»Dafür sei Gott Dank. Ich bin nicht sicher, ob ich das über mich brächte, wenn ich wußte, daß er es ist.«
»Die Nachricht wird ihn erreichen.«
»Und was für eine Nachricht ist das?«
»Ich werde sie Ihnen aufschreiben; Sie können sie dem Mann geben, den er schickt. Sie muß ganz exakt sein, sowohl in dem, was sie ausspricht, als auch in dem, was sie verschweigt.« Bourne sah zu der toten Frau hinüber, ihren angeschwollenen Hals.
»Haben Sie Alkohol?«
»Zum Trinken?«
»Nein. Zum Einreihen. Parfüm tut es auch.«
»Ich bin sicher, daß im Medizinschränkchen Alkohol zum Einreiben ist.«
»Würden Sie ihn mir holen? Und auch ein Handtuch, bitte.«
»Was werden Sie tun?«
»Meine Hände dorthin tun, wo die Ihren waren. Nur für alle Fälle. Obwohl ich nicht glaube, daß jemand Sie fragen wird. Während ich das tue, rufen Sie die Person an, die dafür sorgt, daß ich das Land verlassen kann. Es kommt sehr auf die richtige Zeiteinteilung an. Ich muß unterwegs sein, ehe Sie mit Carlos in Verbindung treten, ehe Sie die Polizei rufen. Sie werden die Flughäfen überwachen lassen.«
»Ich kann das bis zum Morgen hinauszögern, stelle ich mir vor. Der Schockzustand eines alten Mannes, wie Sie das ausgedrückt haben. Aber nicht viel länger. Wohin werden Sie gehen?«
»New York. Geht das? Ich habe einen Paß auf den Namen George Washburn.«
»Das erleichtert die ganze Angelegenheit. Sie werden wie ein Diplomat behandelt.«
»Als Engländer? Es ist ein britischer Paß.«
»Eine Gefälligkeit gegenüber der NATO. Das sind die Kanäle des Conseiller. Sie sind Mitglied eines anglo-amerikanischen Teams, das militärische Verhandlungen führt. Wir legen Wert darauf, daß Sie schnell in die Vereinigten Staaten zurückkehren, um sich dort weitere Instruktionen zu holen. Das ist nicht ungewöhnlich und reicht aus, um Sie schnell durch die Paßkontrolle zu bringen.«
»Gut. Ich habe mir die Flugpläne angesehen. Um sieben Uhr früh gibt es einen Air-France-Flug nach Kennedy.«
»Geht in Ordnung.« Der alte Mann hielt inne; er war noch nicht fertig. Er trat einen Schritt auf Jason zu. »Warum New York? Was macht Sie so sicher, daß Carlos Ihnen nach New York folgen wird?«
»Zwei Fragen mit unterschiedlichen Antworten«, sagte Bourne. »Ich muß ihn an dem Ort ausliefern, wo er mir den Mord an vier Männern und einer Frau, die ich kannte, in die Schuhe schieben wollte ... einer dieser Männer stand mir sehr nahe, war sozusagen ein Stück von mir, denke ich.«
»Ich verstehe Sie nicht.«
»Ich bin auch nicht sicher, ob ich mich selbst verstehe. Jetzt ist keine Zeit. Es wird alles in dem Brief stehen, den ich Ihnen im Flugzeug schreiben werde. Ich muß beweisen, daß Carlos seine Hände im Spiel hatte. Vertrauen Sie mir!«
»Das tue ich. Die zweite Frage: Warum wird er Ihnen folgen?«
Jason sah wieder die tote Frau auf dem Bett an. »Instinkt vielleicht. Ich habe den einzigen Menschen auf der Welt getötet, der ihm etwas bedeutet. Eigentlich müßte er den Mörder durch die ganze Welt verfolgen, bis er ihn gefunden hätte.«
»Er ist sicher praktischer eingestellt.«
»Da ist noch etwas«, erwiderte Jason und wandte den Blick von Angelique Villiers. »Er hat nichts zu verlieren, alles zu gewinnen. Niemand weiß, wie er aussieht, aber er kennt mein Aussehen. Trotzdem weiß er über meinen Geisteszustand nicht Bescheid. Er hat mich in den Untergrund verbannt, mich isoliert, mich in jemanden verwandelt, der ich nie sein sollte. Vielleicht war er zu erfolgreich; vielleicht bin ich wahnsinnig, geistesgestört. Das Massaker in New York war, weiß Gott, wahnsinnig. Meine Drohungen sind irrational. Bin ich irrational? Ein irrationaler Mann, ein wahnsinniger Mann, ist ein Mann in Panik. Man kann ihn leicht zur Strecke bringen.«
»Ist Ihre Angst begründet?«
»Das weiß ich nicht genau.. Ich weiß nur, daß ich keine Wahl habe.« Die hatte er nicht. Am Ende war es so wie am Anfang. Er mußte Carlos finden. Carlos in die Falle locken.
Cain ist für Charlie und Delta ist für Cain. Der Mann und der Mythos waren am Ende eine Person, Bilder und Realität verschmolzen ineinander. Es gab keinen anderen Weg.
Zehn Minuten waren verstrichen, seit er Marie angerufen und belogen hatte, und gehört
Weitere Kostenlose Bücher