Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Braut des Nil

Die Braut des Nil

Titel: Die Braut des Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
Vom Netzwerk:
antwortete.
    Eine durchziehende
Ziegenherde hielt ihn auf. Schließlich gelangte er zum Haus des Bürgermeisters,
einem großen Gebäude, in dem sich eine Großbäckerei, eine Fleischerei und eine
Werkstatt befanden. Auf diese Weise kontrollierte der Bürgermeister die
wichtigsten Aktivitäten des Dorfes. Er herrschte mit eiserner Hand. Jeder
fürchtete ihn, aber niemand hatte ihm etwas vorzuwerfen. Er gewährleistete den
Wohlstand der ihm unterstellten Bevölkerung, und nie hatte einer der
Dorfbewohner Hunger oder Durst leiden müssen. Der Bürgermeister war vom
Provinzfürsten ernannt worden, der wiederum hatte seine Wahl dem Wesir, dem
obersten Richter, unterbreitet. Seine Autorität war also von der höchsten
Instanz bestätigt worden.
    Das Büro
seines Verwalters lag an einer Gasse, die durch ein Strohdach vor der Sonne
geschützt wurde. Hier wurden Besucher empfangen, hierhin kamen die
Dorfbewohner, um ihre Beschwerden zu äußern – meistens öffentlich. Die Familien
hatten kaum Geheimnisse voreinander, und die meisten Meinungsverschiedenheiten
wurden rasch geklärt.
    »Ich will
sofort den Bürgermeister sprechen«, forderte Kamose.
    »Er ist nicht
hier«, antwortete der Verwalter, der über seinen Abrechnungen saß. »Was
wünschst du?«
    »Ich muss mit
ihm reden. Mit niemand anderem!«
    »Du weißt doch, dass er sehr
beschäftigt ist und mir sein volles Vertrauen schenkt. Worum geht es?«
    »Um nichts.
Gar nichts.«
    Kamose
entfernte sich mit großen Schritten. Kopfschüttelnd beugte sich der Verwalter
wieder über seine Abrechnungen. Der Junge hatte keinen besonders guten Ruf. Er
war stur und leicht aufbrausend und galt als wenig gefügig. Vor kurzem hatte
der Bürgermeister dem Verwalter empfohlen, ihm gegenüber misstrauisch zu sein.
    Kamose
verließ das Dorf auf einem verlassenen Sträßchen, das an einem Dinkelfeld
endete. Die Sonne stand noch immer hoch am Himmel. Der junge Mann hob den Blick
und betrachtete das makellose Blau, das die Götter jeden Tag aufs Neue schufen
und das ihn seit dem Tag erfreute, an dem sich seine Augen dem Licht geöffnet
hatten. Wie gern er sich in das noch taufeuchte Gras am Rande der Wüste setzte,
um den Sonnenaufgang zu betrachten! Wenn Gott Re, der Sieger über die
Dunkelheit, aus dem Feuerozean emporstieg, der den Horizont in rote Glut
tauchte, fing Kamoses Herz in seiner Brust zu pochen an. Aber heute hatte er
keine Zeit zum Träumen. Er musste so schnell wie möglich den Bürgermeister
finden.
    Nachdem er das Dinkelfeld
durchquert hatte, lief Kamose auf einem Pfad weiter, der an einem Palmenhain
entlangführte, und erreichte einen von Mauern umgrenzten Garten. Hier lag der
Lieblingsort des Bürgermeisters, streng bewacht von einem nubischen Gärtner.
Wenn er die Jungen aus dem Dorf erwischte, die Feigen und Datteln stehlen
wollten, kannte er kein Erbarmen. Ohne zu zögern, benutzte er seinen Stock und
schnappte sie sich, wenn sie wegrannten. Kamose duckte sich, um von dem Nubier
nicht bemerkt zu werden, und kletterte auf der Rückseite des Gartens an der
niedrigsten Stelle über die Mauer.
    Auf der
anderen Seite wartete er einen Augenblick, um sicherzugehen, dass er nicht
entdeckt worden war. Aber nur der Gesang der Amseln drang durch die Luft.
    Der
Bürgermeister lehnte mit dem Rücken an einer Palme, hatte die Hände auf seinem
runden Bauch zu Fäusten geballt und schlief. Neben ihm lag ein Lederschlauch
mit frischem Wasser. Die großen Palmen spendeten großzügig Schatten, und so
wurde der kahle Schädel des Bürgermeisters vor der brennenden Sonne geschützt.
Kamose griff eine Hand voll Erde und warf sie dem dicken Mann auf den Bauch.
    Der Bürgermeister
brummte, bewegte sich kurz, wurde aber nicht wach.
    Kamose warf
erneut etwas Erde, diesmal mit mehr Erfolg. Die Augen des Bürgermeisters
öffneten sich.
    »Kamose! Was
tust du hier? Der Zugang zu meinem Garten ist dir wie jedem anderen
Dorfbewohner verboten, das weißt du doch… Ich rufe den Wächter!«
    »Wartet! Ich
habe etwas mit Euch zu besprechen. Nur Ihr könnt mich anhören.«
    Der
Bürgermeister hatte ein pausbäckiges, fast rosafarbenes Gesicht. Die
Sonnenstrahlen vermochten seine Haut kaum zu bräunen. Er hatte eine breite
Nase, eine schmale Stirn, und den Mund formten zwei dicke, verfressene Lippen.
    »Warst du
noch nicht bei meinem Verwalter?«
    »Die
Angelegenheit ist zu wichtig.«
    »Ich hasse
es, wenn man mich in meinem Schlaf stört. Wie sollte ich die nötige Gesundheit
bewahren können, um

Weitere Kostenlose Bücher