Die Braut des Nil
den
Sonnenstrahlen.
Kamose, der
von dem Tumult angelockt worden war, wandte sich dem unerwarteten Besucher zu.
Als er den Alten erkannte, glaubte er seinen Augen nicht trauen zu können.
»Meister…
Warum so viel Ehre?«
»Genug der
hohlen Worte, Kamose. Hilf mir, abzusteigen. Diese Sänfte ist ausgesprochen
unbequem. Ich habe das Reisen schon immer gehasst. Und diese Reise wird meine
Meinung wahrlich nicht ändern.«
Der Alte
stützte sich auf seinen Stock und begab sich zu dem Palmenhain, wo sich Richter
Rensi und seine Tochter unterhielten.
Der Richter
erwies dem Alten die Ehre.
»Theben begibt sich aufs
Land«, urteilte der Alte mürrisch. »Die Welt läuft verkehrt!«
Alle waren
verwundert über die Anwesenheit des alten Schreibers. Doch er schien keine Eile
zu haben, die Gründe für sein Kommen zu erklären.
»Das Dorf scheint mir
schmuck«, bemerkte er. »Es stimmt aber auch, dass der neue Bürgermeister ein
verantwortungsvoller Mann ist. Ich würde gerne ein wenig kühles Bier trinken.«
Geru und
Nedjemet liefen herbei, um den Alten zu begrüßen, von dem Kamose so viel
erzählt hatte. Sie waren beeindruckt von der natürlichen Autorität des Greises,
der sich in der ländlichen Umgebung vollkommen wohl zu fühlen schien.
Der Alte
trank in kleinen Schlucken. Der alte Hund legte sich zu seinen Füßen nieder.
»Kamose kehrt
nach Theben zurück«, verkündete er schließlich.
»Aus welchem
Grund?«, fragte Geru besorgt.
»Aus dem
einzigen stichhaltigen Grund: wegen seiner Arbeit. Euer Sohn hat sein
Schreiberexamen bestanden.«
Kamose
schloss Nofret in die Arme. Richter Rensi schien erschüttert.
»Ein
bemerkenswertes Ergebnis«, urteilte er.
»Bemerkenswert
ist nicht das richtige Wort«, korrigierte ihn der Alte. »Der junge Mann ist
noch ein Unwissender. Sagen wir, er ist ein bisschen weniger unwissend als die
anderen Kandidaten. Wir haben keinerlei Anlass zur Freude. Es gibt in diesem
Lande immer weniger wahre Gelehrte. Wenn man bei der Ausbildung der Schreiber
nicht strenger ist, so steuern wir bald dem sicheren Niedergang entgegen.«
Nofret ließ Kamose los und
ging zu Richter Rensi.
»Also werde
ich mit Kamose nach Theben zurückkehren, mein Vater. Können wir bald unsere
Hochzeit feiern?«
»Er ist nur
ein einfacher Schreiber… Ich hatte mir etwas Besseres für dich erträumt, meine
Tochter.«
»Ach«, sagte
der Alte. »Ich hatte noch eine Kleinigkeit vergessen. Ich habe den Pharao über
das Ergebnis der Prüfungen unterrichtet. Trotz meiner Warnungen vor dem
jähzornigen Charakter Kamoses legte er Wert darauf, ihn zum königlichen
Schreiber zu ernennen. Eine in meinen Augen wahrlich übertriebene Beförderung.
Aber wer könnte sich dem Willen des Pharao widersetzen?«
So wurde der
Bauer Kamose zu einem zukünftigen hohen Beamten Ägyptens, des von den Göttern
geliebten Landes.
Richter Rensi
hielt sich nicht länger im Dorf auf. Dringende Geschäfte riefen ihn nach
Theben.
Auch Kamose
und Nofret machten sich bereit, am frühen Morgen aufzubrechen. Rensi hatte
seinem künftigen Schwiegersohn ein altes Haus im Viertel der Adligen geschenkt,
das noch renoviert werden musste. Die Hochzeit würde Anlass zu großen
Feierlichkeiten geben, die einige Tage Vorbereitung erforderten.
Die beiden
jungen Leute warteten auf den Alten. Seine Verspätung machte ihnen Sorgen.
»Vielleicht
ist er noch nicht aufgewacht«, vermutete Kamose. »Gehen wir nachsehen.«
Sie fanden
den Alten in lebhaftem Gespräch mit Geru.
»Kehrt ohne
mich nach Theben zurück«, befahl der Alte. »Ich habe hier noch viel zu lernen.
Ich hatte vergessen, wie wichtig das Dorfleben ist. Ich verbringe noch einige
Zeit in Gesellschaft des Bürgermeisters. Nutze das aber nicht aus, um die Zeit
zu vertrödeln, Kamose! Ein königlicher Schreiber sollte sehr viel mehr arbeiten
als die anderen. Deine Heirat wird dich nicht von deinen Verpflichtungen
befreien. Damit du das gleich weißt und mich nicht mit unnötigen
Entschuldigungen überhäufst. Auf bald!«
Der Alte
wandte sich von den beiden jungen Leuten ab. Außer sich vor Glück, rannten
Kamose und Nofret lachend zu dem Boot, das sie nach Theben fahren würde.
Der Alte nahm
nicht an der Hochzeit seines Schülers teil und auch nicht am Ritual der Braut
des Nil, bei dem sich die Priesterin Nofret auszeichnete.
Für diese
Feierlichkeiten war er zu alt.
Er zog es
vor, am Ufer des heiligen Sees von Karnak zu meditieren und die Bewegungen
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