Die brennende Gasse
Burgmauer und kehrte über das steinerne Dach wieder in den Raum zurück, in dem er Karles Leutnant empfangen hatte. » Schlau ist er, dieser roi des Jacques! Aber wir sind es auch. «
Auf seinen Ruf hin erschien sein Page. » Reitet heute nachmittag nach Compiègne und überbringt Karle eine Botschaft. Sagt ihm, daß wir ihn d ort in drei Tagen in der Morgendämmerung treffen und unsere Truppen zum Angriff vereinigen. Wir werden unsere Soldaten hinter seinen zu einer Phalanx aufstellen. Da er eine so überragende Streitmacht gesammelt hat, ist es nur recht und billig, daß ihm die Ehre gebührt, dem Dauphin als erster gegenüberz utreten. «
D ie Botschaft führte unter Karles Leutnants beinahe sofort zum Streit; die Meinungsverschiedenheiten drehten sich darum, wie sie auf Navarras Nachricht reagieren sollten. Alle waren sich einig, daß eine Antwort erforderlich war; aber darüber, wie diese Antwort lauten sollte, verständigten sie sich nicht. Nach etwa einer Stunde hitziger Debatten erwog Karle deshalb alles, was er gehört hatte, und traf eine Entscheidung.
Er ging um den Tisch herum, zeigte auf einzelne Männer und nannte sie beim Namen. » Ihr alle werdet morgen früh Navarra und seine Marionette Coucy aufsuchen. Reitet auf den besten Pferden, die wir haben, tragt die prächtigsten Schwerter, über die wir verfügen, und legt die besten Rüstungen aus unserer Sammlung an. Nehmt jede Standarte mit, die Ihr finden könnt. Präsentiert Euch als Krieger! Sagt ihm, daß ich nach reiflicher Überlegung zu folgendem Schluß gekommen bin. Die nützlichste Strategie besteht darin, daß sich seine und unsere Truppen mischen zu der ersten Attacke. Sagt ihm ferner, wahrscheinlich wird diese den Dauphin so verwirren, daß er nicht weiß, was er tun soll. Sagt, wir wüßten beide, daß der Dauphin ein willensstarker Mann ist. In dem Dilemma, vor das wir ihn stellen, wird ihm die Entschlossenheit fehlen, sofort den entscheidenden Gegenschlag zu führen. Und das gereicht uns zum Vorteil. «
Dann fügte er leiser hinzu: » Sagt ihm nicht, daß wir uns nach dem gemeinsamen Angriff auf den Dauphin, wenn unsere Leute noch unter seine gemischt sind und der Blutdurst noch wach ist, seine Männer vorknöpfen. Wir werden sie abschlachten. Womit sie nicht rechnen! Schließlich sind wir nur Bauern. Würden Bauern so kühn sein, die Streitmacht eines Königs anzugreifen? «
Lauter Jubel und Begeisterungsrufe erfüllten das Langhaus. Kate, die am Herd Flachsbandagen kochte, hörte und sah all das, und ein Schauder der Angst überrann sie.
S ie fand Alejandro am Rand der Wiese, wo er langsam entlangging und sich um die Vielzahl der kleinen Verletzungen kümmerte, die beim Kriegsspiel entstanden waren: die Blasen und Splitter und wehen Knöchel, die unversorgt die Kampfkraft der betroffenen Soldaten beeinträchtigen würden. Sie hatten einen stattlichen Vorrat an Stiefeln gesammelt, die sie unterwegs Leichen ausgezogen oder von Witwen bekommen hatten. Allerdings paßten sie ihren Trägern nicht so gut, wie sie sollten, und Alejandro wußte, daß die Füße von Guillaume Karles Truppen sich durchaus als Achillesferse erweisen konnten – als der verwundbare Punkt, der zu ihrer Niederlage führte. Also achtete er besonders auf das Gehwerk und sorgte dafür, daß niemand mit offenen Stellen in die Schlacht zog.
» Ah, Kate «, begrüßte er sie schon von ferne.
Sie ging zu ihm, schritt leichtfüßig über die Wiese, mit einer Hand ihre Röcke raffend, um dem Schlamm auszuweichen, die andere voll mit den vertrauten grauweißen Binden, deren Herstellung ihre Aufgabe gewesen war, seit sie sich in dem Langhaus niedergelassen hatten. » Ich habe mehr Verbände gebracht, Père. Diese sind gerade fertig geworden. «
» Du wirkst Wunder, Kind. Wie sollte dieser Krieg ohne dich gewonnen werden? «
Lächelnd reichte sie ihm das Bündel. » Ich bin kein Kind mehr, Père, sondern eine verheiratete Frau. Mir scheint, ich muß Euch das dauernd wieder ins Gedächtnis rufen. «
Sie arbeiteten Seite an Seite, und trotz der Härte ihrer Aufgabe und der Schrecken, die gewiß vor ihnen lagen, empfand Alejandro Canches in solchen Momenten größere Zufriedenheit als seit vielen Jahren. Seine Tochter war bei ihm, glücklich einem braven Mann angetraut, und er selbst leistete gute Arbeit mit den Händen und mit dem Kopf. All das befriedigte ihn sehr.
Als der Vorrat der Verbände erschöpft war, bat Kate ihn:
» Kommt mit mir, Père. Ich
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