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Die Brooklyn-Revue

Die Brooklyn-Revue

Titel: Die Brooklyn-Revue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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und ein fahrender Ritter, der bedrängten Jungfern zu Hilfe kam. Aurora wollte mit mir sprechen, weil ich nach North Carolina gekommen war und sie gerettet hatte, und obwohl wir bis zu jenem Nachmittag jahrelang keinen Kontakt miteinander gehabt hatten, war ich doch immerhin ihr Onkel, der einzige Bruder ihrer Mutter, und sie wusste, dass sie mir vertrauen konnte. Also trafen wir uns mehrmals die Woche zum Essen; zu zweit saßen wir an einem der hinteren Tische im New Purity Diner an der Seventh Avenue und wurden bei diesen Gesprächen nach und nach Freunde, genau so, wie ihr Bruder und ich Freunde geworden waren, und nun, da ich beide Kinder Junes wieder um mich hatte, war es für mich, als sei meine kleine Schwester in mir wieder zum Leben erwacht, und da sie das Gespenst war, das mich immerzu verfolgte, waren ihre Kinder jetzt meine Kinder geworden.
    Das Einzige, was Aurora weder ihrer Mutter noch ihrem Bruder noch sonst jemandem in der Familie jemals anvertraut hatte, war der Name von Lucys Vater. Inzwischen hatte sie das Geheimnis so viele Jahre lang gehütet, dass es sinnlos schien, die Frage überhaupt noch anzuschneiden,aber dann, es war Anfang April und wir saßen mal wieder beim Essen, rutschte ihr die Antwort, ohne dass ich sie dazu aufgefordert hätte, einfach so heraus.
    Es begann damit, dass ich sie fragte, ob sie ihr Tattoo noch habe. Auf Rorys Gesicht erschien ein breites Lächeln; sie legte ihre Gabel hin und sagte: «Woher weißt du davon?»
    «Das hat mir Tom erzählt. Ein großer Adler auf deiner Schulter, stimmt’s? Wir haben uns gefragt, ob du es vielleicht hast entfernen lassen, aber Lucy wollte es uns nicht sagen.»
    «Es ist noch da. So groß und schön wie eh und je.»
    «Und David hatte nichts dagegen?»
    «Nicht direkt. Er sah es als Symbol meiner verpfuschten Vergangenheit und wollte, dass ich es wegmachen lasse. Ich war bereit, ihm den Gefallen zu tun, aber dann erfuhren wir, was so etwas kosten würde. Als David merkte, dass wir uns das nicht leisten konnten, machte er eine Kehrtwendung von hundertachtzig Grad. Das gibt dir eine gute Vorstellung davon, wie er denkt und warum ich aus einem Streit mit ihm nie als Sieger hervorgegangen bin. Vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht, sagte er. Wir lassen das Tattoo, wo es ist, und wenn wir es sehen, erinnert es uns jedes Mal daran, wie weit du dich von den dunklen Tagen deiner Jugend entfernt hast. So was ist ganz typisch für David:
die dunklen Tage meiner Jugend
. Er sagte, ich solle das als ein Amulett betrachten, das ich auf der Haut trage, es werde mich vor weiterem Schaden und Leid beschützen. Ein Amulett. Ich hatte das Wort noch nie gehört und musste erst mal im Lexikon nachsehen, was es bedeutet. Ein Talisman, der böse Geister abwehrt. Okay, damit kann ich leben. Als ich mit David zusammen war, hat es mir nicht viel geholfen, aber vielleicht hilft es mir ja jetzt.»
    «Freut mich, dass du es noch hast. Keine Ahnung, warum mich das freut, aber so ist es.»
    «Mich freut es auch. Irgendwie hänge ich an diesem dummen Ding. Ich habe es mir vor elf Jahren machen lassen, im East Village. Zur Feier, dass ich mit Lucy schwanger war. An dem Morgen, als mir die Schwester in der Klinik sagte, der Test sei positiv ausgefallen, bin ich losgerannt und hab mir das Tattoo machen lassen.»
    «Seltsame Art, so etwas zu feiern, oder?»
    «Ich bin eben seltsam, Onkel Nat. Und das war wohl sowieso die seltsamste Zeit meines Lebens. Damals habe ich mit zwei Jungen, Billy und Greg, in einer Bruchbude in der Nähe der Avenue C gewohnt. Billy hat Gitarre gespielt, Greg Geige, und ich hab dazu gesungen. Und gar nicht mal so übel, wenn man bedenkt, wie jung wir da waren. Aufgetreten sind wir meistens im Washington Square Park. Oder in der U-Bahn -Station Times Square. Der Hall in diesen unterirdischen Gängen hatte es mir angetan, ich schmetterte meine Lieder, und die Leute warfen ihre Münzen und Dollars in Gregs Geigenkasten. Manchmal war ich stoned bei unseren Auftritten, und Billy nannte mich die blaue Nachtigall. Manchmal sang ich nüchtern, und Greg nannte mich die Königin des Planeten   X.   Meine Güte. Das waren schöne Zeiten, Onkel Nat. Wenn unsere Musik nicht genug einbrachte, hab ich in Läden geklaut. Die Braut, die sich was traut, haben sie mich genannt. Hab mir in Supermärkten Steaks und Hähnchen unter den Mantel geschoben. Nichts habe ich damals ernst genommen. Diese Woche war ich in Greg verliebt. Nächste Woche war ich in Billy

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