Die Brooklyn-Revue
verliebt. Geschlafen habe ich jedenfalls mit beiden, und irgendwann wurde ich schwanger. Ich hab nie herausgefunden, wer von ihnen der Vater war, und da auch keiner von ihnen der Vater sein
wollte
, habe ich sie beide rausgeschmissen.»
«Ach, deshalb hast du es June nie gesagt. Weil du es selbst nicht gewusst hast.»
«Mist. Wie kann ich plötzlich nur so dumm sein? Mist, Mist, Mist. Ich hab mir geschworen, das niemals zu erzählen, und nun habe ich es doch getan.»
«Das macht gar nichts, Rory. Greg und Billy, das sind für mich bloß Namen. Red einfach nicht weiter, wenn du nicht willst.»
«Greg ist zwei Jahre nach Lucys Geburt an einer Überdosis gestorben. Und Billy ist einfach verschwunden. Keine Ahnung, was aus ihm geworden ist. Jemand hat mir mal erzählt, er sei nach Hause zurückgegangen, habe das College abgeschlossen und arbeite jetzt als Musiklehrer an irgendeiner High School im Mittleren Westen. Aber wer weiß, ob das derselbe Billy Finch ist? Könnte auch jemand anders sein.»
Aurora lebte zwar jetzt in Brooklyn, aber das hieß noch lange nicht, dass David Minor nicht jederzeit bei ihr auftauchen konnte. Ich stand mit Namen und Anschrift im Telefonbuch, und es wäre ihm ein Leichtes gewesen, sie über mich ausfindig zu machen. Mir grauste bei dem Gedanken, es noch einmal mit diesem selbstgerechten Arschloch zu tun zu bekommen, aber ich behielt meine Befürchtungen für mich und sagte Rory nichts davon. Minor war ein so schmerzliches Thema für sie, dass sie sich kaum dazu bringen konnte, selbst von ihm zu reden, und ich wollte nicht zu all den Problemen, mit denen sie ohnehin schon zu kämpfen hatte, noch irgendwelche zusätzlichen Ängste schüren. Als einige Monate ins Land gegangen waren, wurde ich allmählich optimistischer, aber erst Ende Juni konnte ich endlich aufhören, mir Sorgen zu machen, und die Angelegenheit ad acta legen. Eines Morgens lag ein dickerweißer Umschlag in meinem Briefkasten, und da ich übersah, dass der Brief nicht an Nathan Glass, sondern an Aurora Wood c/o Nathan Glass adressiert war, hatte ich ihn bereits aufgerissen, ehe ich meinen Irrtum bemerkte. Das kurze handschriftliche Begleitschreiben lautete:
Liebes,
es ist besser so.
Viel Glück – und möge Gott
dir immer gnädig sein.
David
Beigelegt war ein siebenseitiges Dokument, ein Scheidungsurteil, ausgestellt in Saint Clair County im Bundesstaat Alabama: Darin wurde die Ehe zwischen David Wilcox Minor und Aurora Wood Minor wegen böswilligen Verlassens für aufgelöst erklärt.
Als wir uns an diesem Tag zum Essen trafen, entschuldigte ich mich bei Rory, dass ich ihre Post geöffnet hatte, und gab ihr den Brief.
«Was ist das?», fragte sie.
«Ein Brief von deinem Ex», sagte ich. «Und eine amtliche Mitteilung.»
«Von meinem Ex? Was soll das heißen?»
«Mach’s auf und sieh selbst.»
Sie las den Brief und überflog das Scheidungsurteil, und mir fiel auf, wie unbewegt ihre Miene dabei blieb. Ich hatte erwartet, dass sie lächeln oder vielleicht sogar laut lachen würde, aber ihr Gesicht blieb nahezu ausdruckslos. Allenfalls ein leichtes Aufflackern irgendeines verborgenen, dunklen Gefühls, aber was für ein Gefühl das war, ließ sich nicht erkennen.
«Na ja», sagte sie schließlich. «Das war’s dann wohl.»
«Du bist frei, Rory. Wenn du wolltest, könntest du morgen jemand anderen heiraten.»
«Ich werde mich nie mehr im Leben von einem Mann anfassen lassen.»
«Das sagst du heute. Aber irgendwann taucht jemand auf, und dann wirst du wieder ans Heiraten denken.»
«Nein, ich meine das ganz ernst, Nathan. Dieser Teil meines Lebens ist endgültig abgeschlossen. Als David mich in dieses Zimmer eingesperrt hat, habe ich mir gesagt: Das war’s, ich fall auf keinen Mann mehr rein. Daraus ist nie was Gutes entstanden. Und das wird es auch nie.»
«Du vergisst Lucy.»
«Okay, du hast Recht. Aber ich habe jetzt mein Kind, und noch eins will ich nicht.»
«Alles in Ordnung mit dir? Du hörst dich niedergeschlagen an.»
«Mir geht’s prächtig. Hab mich noch nie besser gefühlt.»
«Du bist jetzt seit sechs Monaten hier. Du wohnst bei Joyce im Haus, du arbeitest für Nancy, du sorgst für dein Mädchen, aber vielleicht ist es Zeit, an den nächsten Schritt zu denken. Vielleicht solltest du anfangen, wieder Pläne zu machen.»
«Was denn für Pläne?»
«Das kann ich nicht sagen. Das solltest du selber wissen.»
«Aber es gefällt mir so, wie es ist.»
«Was ist mit dem
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