Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
zogen, und trotz des Flackerns der Lampen auf
dem Bock eine undeutliche Gestalt. Ich zügelte die Stuten,
ließ sie langsam weitergehen, so daß sich unsere beiden
Wagen auf dem Ausweichplatz treffen würden. Mein Gegenspieler
erwartete mich anscheinend und wurde ebenfalls langsamer.
    Es war in diesem Augenblick, daß mich eine seltsame,
namenlose Angst packte. Ein plötzlicher, unkontrollierbarer
Schauder durchlief mich, als habe eine elektrische Ladung meinen
Körper getroffen, als sei ein Blitz, unsichtbar und
geräuschlos, aus diesem klaren, stillen Himmel
herniedergefahren. Unsere Wagen erreichten die entgegengesetzten
Enden des kleinen Ausweichplatzes. Ich schwenkte nach rechts. Der
andere Fahrer bog zu seiner Linken ab, so daß sich unsere
Gespanne gegenseitig den Weg versperrten. Sie blieben stehen, bevor
ich und der andere sie anhielten. Ich zog an den Zügeln,
schnalzte mit der Zunge, redete den Tieren zu, rückwärts zu
gehen. Der andere Wagen rollte ebenfalls ein Stück nach hinten.
Ich winkte der schattenhaften Gestalt auf dem Bock in dem Versuch,
ihr klarzumachen, daß ich diesmal nach links abbiegen und ihr
erlauben wolle, an meiner Rechten vorüberzufahren. Er winkte
gleichzeitig. Unsere Wagen hielten an. Ich konnte nicht entscheiden,
ob die Geste des anderen Fahrers bedeuten sollte, daß er
einverstanden sei. Ich zog die beiden keuchenden Stuten nach links.
Wieder bewegte sich der andere Wagen, als wolle er mich blockieren,
aber so augenblicklich, daß es wieder den Anschein hatte, als
hätten wir unsere Manöver simultan ausgeführt.
    Von neuem geschlagen, hielt ich die beiden Stuten an. Sie
betrachteten ihre geisterhaften Gegenspieler über einen Luftraum
hinweg, der von ihrem beiderseitigen Atem gefüllt war. Ich
faßte den Entschluß, dieses Mal nicht
zurückzuweichen, sondern geradeauszufahren und mich darauf zu
verlassen, daß der andere mich vorüberließe.
    Der andere Wagen blieb stehen. Meine Muskeln spannten sich unter
einem zunehmenden Unbehagen an. Ich gab dem Drang nach, aufzustehen
und in dem Versuch, den fremden Fahrer über diese kurze, aber
frustrierend unüberbrückbare Distanz hinweg zu erkennen,
meine Augen vor dem Licht der flackernden Lampen abzuschirmen. Der
andere Mann stellte sich ebenfalls auf die Füße, ganz so,
als sei er mein Spiegelbild. Ich hätte beschwören
können, daß auch er eine Hand an die Augen führte,
wie ich es getan hatte.
    Ich blieb stehen. Das Herz raste mir in der Brust, und die
merkwürdige kalte Feuchtigkeit von vorhin kehrte auf meine
Hände zurück, so daß ich es innerhalb meiner
Lederhandschuhe spürte. Ich räusperte mich und rief dem
Mann auf dem anderen Wagen zu: »Sir! Wollen Sie so freundlich
sein…«
    Ich verstummte. Der andere Fahrer hatte genau in dem Augenblick
gesprochen – und aufgehört zu sprechen –, als ich
damit begonnen und den Satz abgebrochen hatte. Seine Stimme war kein
Echo, er sprach nicht die Worte, die ich sprach, und ich war mir
nicht einmal sicher, daß er sich der gleichen Sprache bedient
hatte, aber der Ton war meinem eigenen ähnlich gewesen. Eine
nervöse Wut packte mich; ich winkte heftig nach rechts; er
gestikulierte gleichzeitig nach links. »Rechts!« rief ich,
und auch er rief etwas.
    Ich blieb noch eine Weile stehen, unfähig, mir vorzumachen,
daß das Beben meines Körpers irgendwie eine Reaktion auf
die Lufttemperatur sei. Ich zitterte vor Angst, nicht vor Kälte.
Ebenso mit der Absicht, meine unsicher gewordenen Beine von meinem
Gewicht zu entlasten als um den Kurs einzuschlagen, zu dem ich mich
entschlossen hatte, setzte ich mich schnell. Ohne meinen Gegner
direkt anzusehen – denn so dachte ich jetzt von diesem Menschen,
der offenbar entschlossen war, mich am Weiterfahren zu hindern –
nahm ich die Peitsche, ließ sie über den Pferden knallen
und lenkte die Tiere nach links. Ich hörte keine zweite Peitsche
knallen, aber das Paar weißer Pferde mir gegenüber
bäumte sich auf wie mein eigenes Paar und schwenkte zu ihrer
Rechten hinüber, so daß die vier Tiere über ein
kurzes Stück aufeinander zueilten, bevor sie von neuem mit den
Vorderbeinen in die Höhe stiegen, daß das Geschirr
klirrte. Die Köpfe und die ausschlagenden Beine berührten
sich beinahe. Ich sprang wieder auf, schrie, ließ die Peitsche
über ihnen knallen, zog sie zurück, versuchte, an dem
zweiten Wagen auf der entgegengesetzten Seite vorbeizukommen. Wieder
wurde mir der Weg versperrt. Es war als spiegele der Wagen mir
gegenüber

Weitere Kostenlose Bücher