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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Kasten, hatte Arme und Kopf auf das danebenstehende Bett gelegt und weinte bitterlich, wobei sie sich nach Kräften zu beherrschen suchte und ihre Stimme unterdrückte, um nicht gehört zu werden. Als sie Mitja sah, winkte sie ihn zu sich heran, und als er bei ihr war, ergriff sie fest seine Hand.
    »Mitja, Mitja, ich habe ihn ja geliebt!« begann sie flüsternd. »Ich habe ihn geliebt, die ganzen fünf Jahre, die ganze Zeit. Habe ich ihn geliebt oder nur meinen Zorn? Nein, ihn selbst! Ihn selbst! Ich lüge ja, wenn ich sage, daß ich nur meinen Zorn geliebt habe und nicht ihn! Mitja, ich war damals erst siebzehn Jahre alt, er war so freundlich zu mir, so heiter, Lieder hat er mir vorgesungen. Oder ist er mir damals nur so erschienen, weil ich noch ein dummes kleines Mädchen war? Aber jetzt, o Gott, jetzt ist er ein anderer, ein ganz anderer. Auch das Gesicht ist anders, völlig anders... Ich habe ihn gar nicht wiedererkannt. Ich fuhr mit Timofej hierher und dachte immerzu, während der ganzen Fahrt: Wie werde ich ihm entgegentreten, was werde ich sagen, wie werden wir einander ansehen? Meine Seele wollte vergehen, und da hat er mich wie aus einem Kübel mit Schmutz übergossen. Wie ein Schulmeister redet er, alles ist gelehrt und würdevoll, er empfing mich so feierlich, ich war ganz verblüfft. Ich konnte kein Wort herausbringen. Ich dachte anfangs, vielleicht geniert er sich vor seinem langen Begleiter. Ich saß da und sah die beiden an und dachte: Warum kann ich denn jetzt gar nicht mehr mit ihm reden? Weißt du, seine Frau hat ihn verdorben, die, die er heiratete, nachdem er mich im Stich gelassen hatte ... Die hat ihn so umgewandelt. Ach, Mitja, diese Schmach! Oh, ich schäme mich, Mitja, ich schäme mich meines ganzen Lebens! Verflucht, verflucht sollen diese fünf Jahre sein, verflucht!« Und sie brach wieder in Tränen aus, ließ aber Mitjas Hand nicht los, sie hielt sie fest in ihrer.
    »Mitja, Täubchen, warte, geh nicht fort, ich will dir ein einziges Wörtchen sagen«, flüsterte sie und hob auf einmal das Gesicht zu ihm auf. »Sag mir doch, wen liebe ich? Ich liebe hier einen einzigen Menschen. Wer ist dieser Mensch? Das sollst du mir sagen.« Auf ihrem vom Weinen geschwollenen Gesicht erstrahlte ein Lächeln, ihre Augen glänzten im Halbdunkel. »Vorhin kam ein Falke herein, da bekam mein Herz einen süßen Schreck. ›Du Närrin, das ist doch der, den du liebst!‹ flüsterte mein Herz. Du bist hereingekommen und hast alles erleuchtet. ›Aber was fürchtet er nur?‹ dachte ich. Denn du hattest Furcht, große Furcht, du warst nicht imstande zu sprechen. ›Er wird sich doch nicht vor denen hier fürchten?‹ dachte ich – als oh du vor jemand Angst haben könntest. ›Vor mir fürchtet er sich!‹ dachte ich. Nur vor mir ... Fenja hat dir großem Dummkopf ja sicher erzählt, daß ich deinem Bruder Aljoscha aus dem Fenster zugerufen habe, ich hätte Mitenka ein Stündchen geliebt, doch jetzt sei ich weggefahren, um einen anderen zu lieben ... Mitja, Mitja, wie konnte ich bloß glauben, daß ich nach dir einen anderen lieben würde! Verzeihst du mir, Mitja? Verzeihst du mir oder nicht? Liebst du mich? Liebst du mich?«
    Sie sprang auf und faßte ihn mit beiden Händen an den Schultern. Mitja, stumm vor Entzücken, sah ihr in die Augen, in das lächelnde Gesicht, dann umarmte er sie fest und begann sie feurig zu küssen.
    »Und verzeihst du, daß ich dich gequält habe? Ich habe ja euch alle aus Bosheit gequält. Ich habe den alten Mann aus Bosheit absichtlich um den Verstand gebracht ... Erinnerst du dich, wie du einmal bei mir etwas getrunken und das Glas zerschlagen hast?« Daran habe ich gedacht und heute mein Glas ebenfalls zerschlagen; ich hatte auf mein unwürdiges Herz getrunken ... Mitja, du mein Falke, warum küßt du mich nicht? Einmal hat er mich geküßt und sich losgerissen, sieht und hört bloß zu ... Was hast du denn davon, daß du mir zuhörst? Küß mich, küß mich fester ... Siehst du, so! Wenn man liebt, muß man auch ordentlich lieben! Deine Sklavin werde ich jetzt sein, deine Sklavin fürs ganze Leben. Es ist süß, Sklavin zu sein! Küß mich! Schlag mich, quäl mich, tu mit mir, was du willst ... Oh, du müßtest mich geradezu foltern ... Halt! Warte, später, so will ich nicht ...« Sie stieß ihn plötzlich zurück. »Geh weg, Mitja! Ich will jetzt Wein trinken, betrinken will ich mich, und sobald ich betrunken bin, will ich tanzen! Ja, das will ich!«
    Sie riß sich von

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