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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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er ihn schon ermordet hat?«
    »Ach, mein Gott, wahrhaftig! Also was müssen wir jetzt tun? Was meinen Sie, was wir jetzt tun müssen?«
    Inzwischen hatte sie ihren Besucher genötigt, Platz zu nehmen, und sich ihm gegenübergesetzt. Pjotr Iljitsch legte ihr in Kürze, aber ziemlich klar den Hergang dar, zumindest so weit er an diesem Tag selbst Zeuge gewesen war; er erzählte auch von seinem Besuch soeben bei Fenja und teilte ihr die Sache von dem Stößel mit. Alle diese Einzelheiten erschütterten die aufgeregte Dame unglaublich; sie schrie auf und bedeckte die Augen mit den Händen ...
    »Stellen Sie sich vor, ich habe das alles geahnt! Ich bin mit dieser Fähigkeit begabt: Alles was ich vorausahne, geht auch in Erfüllung! Und wie oft habe ich diesen schrecklichen Menschen angesehen und mir dabei gedacht: ›Dieser Mensch wird mich schließlich noch einmal totschlagen.‹ Und sehen Sie, da ist es in Erfüllung gegangen ... Das heißt, wenn er mich nicht jetzt totgeschlagen hat, sondern nur seinen Vater, so sicherlich deswegen, weil mich offensichtlich der Finger Gottes bewahrt hat! Und außerdem wird selbst er sich geschämt haben, mich zu töten, wo ich ihm doch mit meinen eigenen Händen ein Heiligenbildchen von den Reliquien der Märtyrerin Warwara um den Hals gehängt habe ... Wie nah war ich in jenem Augenblick dem Tod! Ich war ja ganz dicht an ihn herangetreten, und er kam mir mit seinem Hals ganz nah! Wissen Sie, Pjotr Iljitsch ... Entschuldigen Sie, ich glaube, Sie sagten, daß Sie so heißen ... Wissen Sie, ich glaube nicht an Wunder, aber dieses Heiligenbildchen und dann das offensichtliche Wunder, das mit mir geschehen ist – das hat mich doch erschüttert, und ich beginne wieder an alles mögliche zu glauben ... Haben Sie von dem Starez Sossima gehört? Ach, übrigens, ich weiß nicht, was ich da rede ... Und stellen Sie sich vor: Er hat sogar mit dem Heiligenbildchen um den Hals nach mir gespuckt ... Allerdings hat er nur nach mir gespuckt und mich nicht getötet ... Aber wo er nun bloß hingefahren ist! Und wohin müssen wir ... Wohin sollen wir jetzt ... Wie denken Sie darüber?«
    Pjotr Iljitsch stand auf und erklärte, er werde jetzt geradewegs zum Bezirkshauptmann gehen und ihm alles erzählen; der möge dann nach seinem Ermessen handeln.
    »Ach, das ist ein prächtiger, ein prächtiger Mann! Ich bin mit Michail Makarowitsch bekannt. Unbedingt müssen Sie zu dem gehen. Wie Sie das Richtige zu treffen verstehen, Pjotr Iljitsch! Und wie vortrefflich Sie das alles überlegt haben! Wissen Sie, ich wäre an Ihrer Stelle bestimmt nicht darauf gekommen!«
    »Ich werde es um so mehr tun, da ich selbst, ein guter Bekannter des Bezirkshauptmanns bin«, bemerkte Pjotr Iljitsch, der noch immer dastand und offenbar möglichst schnell irgendwie von der redseligen Dame loszukommen wünschte, die ihm so gar keine Möglichkeit gab, sich zu empfehlen und zu gehen.
    »Und wissen Sie«, redete sie weiter, »kommen Sie doch bitte wieder und erzählen Sie mir, was Sie gesehen und erfahren haben ... Und was an den Tag gekommen ist ... Und was man über ihn beschließt, und wozu er verurteilt wird ... Sagen Sie mal, Todesstrafe gibt es ja wohl bei uns nicht? Aber kommen Sie unter allen Umständen, selbst um drei Uhr in der Nacht, selbst um vier, ja um halb fünf ... Sagen Sie nur, man soll mich wecken. Sogar mit Püffen und Stößen, wenn ich nicht aufstehen will ... O Gott, ich werde ja gar nicht einschlafen können ... Wissen Sie, soll ich nicht lieber gleich mit Ihnen fahren?«
    »N-nein, aber wenn Sie mir für alle Fälle eigenhändig ein paar Zeilen aufschreiben würden, in denen Sie bestätigen, daß Sie Dmitri Fjodorowitsch kein Geld gegeben haben? Das wäre vielleicht ganz angebracht, nur so für alle Fälle ...«
    »Unbedingt!« rief Frau Chochlakowa begeistert und eilte zu ihrem Schreibtisch. »Wissen Sie, Sie imponieren mir, Sie setzen mich einfach in Erstaunen durch Ihre Umsicht und Ihren Scharfsinn auf diesem Gebiet ... Sie sind hier angestellt? Wie angenehm ist es mir zu hören, daß Sie hier angestellt sind ...« Und noch während sie das sagte, warf sie schnell in großer Schrift die folgenden Zeilen auf einen halben Bogen Briefpapier:
    »Niemals in meinem Leben habe ich dem unglücklichen Dmitri Fjodorowitsch Karamasow heute dreitausend Rubel geliehen, und auch kein anderes Geld, niemals, niemals! Das beschwöre ich bei allem, was es auf unserer Welt Heiliges gibt. Chochlakowa.«
    »Da ist die

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