Die Brüder Karamasow
sprechen.«
»Der alte Mann!« schrie Mitja fassungslos. Der alte Mann und sein Blut ... Ich ver-ste-he!«
Und er setzte sich, oder genauer, er fiel auf einen neben ihm stehenden Stuhl.
»Du verstehst? Er hat verstanden! Du Vatermörder, du Ungeheuer, das Blut deines alten Vaters schreit nach dir!« brüllte plötzlich der alte Bezirkshauptmann und näherte sich Mitja mit dunkelrotem Gesicht; er war außer sich und zitterte am ganzen Körper.
»Aber das ist unzulässig!« rief der kleine junge Mann. »Michail Makarowitsch, Michail Makarowitsch! Das ist ordnungswidrig, das ist ordnungswidrig! Ich bitte Sie, mich allein reden zu lassen. Ein derartiges Verhalten habe ich von Ihnen nicht erwartet ...«
»Aber das ist ja Irrsinn, meine Herren, Irrsinn!« rief der Bezirkshauptmann. »Sehen Sie ihn an! Er hat das Blut seines Vaters vergossen und ist nachts in betrunkenem Zustand bei einer liederlichen Dirne ... Irrsinn, Irrsinn!«
»Ich möchte Sie dringend bitten, verehrter Michail Makarowitsch, für diesmal Ihre Gefühle zu beherrschen«, flüsterte der Gehilfe des Staatsanwalts dem Alten eilig zu. »Ich würde mich sonst genötigt sehen, Maßregeln zu ergreifen, um ...«
Doch der kleine Untersuchungsrichter ließ ihn nicht zu Ende sprechen; er wandte sich an Mitja und sagte laut und würdevoll mit fester Stimme: »Herr Leutnant außer Diensten Karamasow, ich muß Ihnen eröffnen, daß Sie des in dieser Nacht begangenen Mordes an Ihrem Vater Fjodor Pawlowitsch Karamasow beschuldigt werden ...«
Er sagte noch irgend etwas, auch der Gehilfe des Staatsanwalts schien noch etwas hinzuzufügen, Mitja hörte es zwar, verstand jedoch nichts mehr. Sein verstörter Blick irrte von einem zum anderen.
Neuntes Buch
Die Voruntersuchung
1. Der Beginn der Karriere des Beamten Perchotin
Pjotr Iljitsch Perchotin, den wir verlassen haben, als er aus Leibeskräften an das fest verschlossene Tor des Hauses der Kaufmannswitwe Morosowa pochte, erreichte selbstverständlich am Ende doch sein Ziel. Fenja, die sich zwei Stunden nach dem großen Schreck in ihrer Erregung noch immer nicht hatte entschließen können, schlafen zu gehen, erschrak jetzt, als sie dieses stürmische Klopfen hörte, von neuem dermaßen, daß sie beinahe Weinkrämpfe bekam. Sie glaubte, da klopfte wieder Dmitri Fjodorowitsch, obwohl sie ihn mit eigenen Augen hatte abfahren sehen; niemand als er konnte so »unverschämt« klopfen. Sie eilte zu dem Hausknecht, der bereits aufgewacht und auf dem Weg zum Tor war, und bat ihn flehentlich, niemand hereinzulassen. Aber der Hausknecht befragte den Klopfenden genau, und als er erfuhr, wer da Fedossja Markowna in einer sehr wichtigen Angelegenheit zu sprechen wünschte, entschloß er sich endlich, doch zu öffnen. Pjotr Iljitsch ging zu Fedossja Markowna in die uns schon bekannte Küche, wobei sie ihn übrigens bat, er möchte, »um Mißdeutungen zu vermeiden«, erlauben, daß auch der Hausknecht mit hereinkam; dort begann er sie auszufragen, und erfuhr sofort eine besonders wichtige Tatsache: daß nämlich Dmitri Fjodorowitsch, als er Gruschenka suchen gegangen war, den Stößel aus dem Mörser mitgenommen hatte und nachher ohne den Stößel und mit blutigen Händen zurückgekehrt war. »Und das Blut tropfte noch, es tropfte und tropfte nur so!« rief Fenja, die in ihrer aufgeregten Phantasie diesen schrecklichen Umstand offenbar selbst hinzuerfand. Doch die blutigen Hände hatte auch Pjotr Iljitsch gesehen, wenn das Blut auch nicht mehr getropft hatte, und er hatte selbst bei ihrer Säuberung am Waschtisch mitgeholfen; aber es handelte sich für ihn nicht darum, ob das Blut schnell getrocknet war oder nicht, sondern darum, wohin Dmitri Fjodorowitsch mit dem Stößel gelaufen war, das heißt, ob wirklich zu Fjodor Pawlowitsch, und woraus man das mit Bestimmtheit schließen konnte. Über diesen Punkt erkundigte sich Pjotr Iljitsch mit besonderem Nachdruck, und obgleich er nichts absolut Sicheres erfuhr, kam er doch fast zu der Überzeugung, daß Dmitri Fjodorowitsch einzig und allein zum Haus seines Vaters gelaufen sein konnte und daß dort unweigerlich »etwas passiert« sein mußte. »Als er aber zurückkam«, fügte Fenja aufgeregt hinzu, »und ich ihm alles gestanden hatte, da fragte ich ihn meinerseits: ›Wovon sind denn Ihre Hände so blutig, Dmitri Fjodorowitsch?‹ und da antwortete er mir, das sei Menschenblut, er habe soeben einen Menschen totgeschlagen. Das hat er mir alles gestanden, und dann ist er plötzlich
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