Die Brüder Karamasow
Standes, die einander durch ihre Zugehörigkeit zum Adel und durch ihre Ehre verbunden sind. Gestatten Sie mir jedenfalls, Sie in diesem Augenblick meines Lebens für meine besten Freunde zu halten, in diesem Augenblick, wo meine Ehre so tief erniedrigt wird! Sie werden sich doch dadurch nicht gekränkt fühlen, meine Herren, nicht wahr?«
»Im Gegenteil, Sie haben das alles so schön ausgedrückt, Dmitri Fjodorowitsch«, stimmte ihm Nikolai Parfjonowitsch in ernstem, beifälligem Ton zu.
»Aber die Kleinigkeiten, meine Herren, alle diese schikanösen Kleinigkeiten, die wollen wir beiseite lassen!« rief Mitja begeistert. »Sonst kommt einfach weiß der Teufel was heraus! Habe ich nicht recht?«
»Ich werde Ihren vernünftigen Ratschlägen durchaus folgen«, mischte sich der Staatsanwalt, an Mitja gewandt, ein. »Auf
meine Frage möchte ich allerdings doch nicht verzichten. Es ist für uns allzu dringend notwendig, daß wir erfahren, wozu Sie eigentlich so eine Summe brauchten? Das heißt, ausgerechnet dreitausend Rubel!«
»Wozu ich die brauchte? Nun, zu diesem und jenem Zweck ... Um eine Schuld zurückzuzahlen.«
»An wen denn?«
»Das zu sagen weigere ich mich entschieden« meine Herren! Sehen Sie, nicht, weil ich es nicht sagen kann oder es nicht wage oder mich fürchte – denn das ist alles unerheblich und ohne jede Wichtigkeit –, sondern ich sage es nicht, weil ich damit gegen meine Grundsätze verstoßen würde! Das ist mein Privatleben, und ich erlaube niemandem, in mein Privatleben einzudringen. Das ist mein Grundsatz. Ihre Frage bezieht sich nicht auf die Sache, und alles, was sich nicht auf die Sache bezieht, ist mein Privatleben! Ich wollte eine Schuld zurückzahlen, eine Ehrenschuld wollte ich zurückzahlen. An wen, das sage ich nicht.«
»Gestatten Sie uns, das festzuhalten«, sagte der Staatsanwalt.
»Bitte, tun Sie das! Schreiben Sie, daß ich es schlechterdings nicht sagen will. Schreiben Sie, meine Herren, daß ich es sogar für unehrenhaft halte, es zu sagen. Sie haben ja viel Zeit zum Schreiben!«
»Gestatten Sie mir, mein Herr, Sie darauf hinzuweisen, falls Sie es nicht wissen sollten«, sagte der Staatsanwalt besonders ernst und nachdrücklich, »daß Sie durchaus berechtigt sind, eine Beantwortung der Ihnen vorgelegten Fragen zu verweigern, und daß wir unsererseits nicht berechtigt sind, Antworten von Ihnen zu erzwingen, wenn Sie selbst aus dem einen oder anderen Grund die Antwort verweigern. Das ist Sache Ihres persönlichen Ermessens. Uns obliegt es wiederum in einem Fall wie diesem, Ihnen vor Augen zu führen, welchen Schaden Sie sich dadurch zufügen, daß Sie die eine oder die andere Aussage verweigern ... Nunmehr bitte ich Sie fortzufahren ...«
»Meine Herren, ich nehme es Ihnen ja nicht übel ... Ich ...«, murmelte Mitja, etwas verwirrt durch diese eindringliche Belehrung. »Also, sehen Sie, meine Herren, dieser Samsonow, zu dem ich damals gegangen bin ...«
Wir werden natürlich nicht alle dem Leser bereits bekannten Dinge im einzelnen wiedergeben. Mitja wollte alles bis in die kleinsten Einzelheiten berichten, gleichzeitig jedoch wünschte er in seiner Ungeduld möglichst schnell fertig zu werden. Und je mehr er aussagte, desto mehr wurde niedergeschrieben; infolgedessen mußte er häufig unterbrochen werden, damit der Schreiber nachkam. Dmitri Fjodorowitsch hielt das für ein verwerfliches Verfahren; aber er fügte sich; und wenn er sich ärgerte, so tat er es vorläufig noch in gutmütiger Weise. Allerdings rief er manchmal: »Meine Herren, das könnte selbst den Herrgott wütend machen!« Oder: »Meine Herren, wissen Sie, daß Sie mich ganz umsonst nervös machen?« Doch trotz solcher Zwischenrufe hatte sich seine freundschaftlich-mitteilsame Stimmung einstweilen noch nicht geändert. So erzählte er, wie er vor zwei Tagen von Samsonow »angeführt« worden war; denn daß der ihn »angeführt« hatte, war ihm jetzt völlig klar. Der Verkauf der Uhr für sechs Rubel, eine dem Untersuchungsrichter und dem Staatsanwalt bislang noch unbekannte Tatsache, erregte sogleich deren besondere Aufmerksamkeit, und sie hielten es für nötig – darüber entrüstete sich Mitja maßlos –, diese Tatsache ausführlich niederzuschreiben: als neue Bestätigung des Umstandes, daß er am Tag vor dem Mord fast kein Geld besessen hatte. Allmählich wurde Mitja ärgerlich. Nachdem er dann seine Fahrt zu Ljagawy und die Nacht in der vom Kohlendunst stickigen Stube beschrieben hatte,
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