Die Brüder Karamasow
schilderte er auch seine Rückkehr in die Stadt und kam hierbei von selbst, ohne besondere Aufforderung, eingehend auf seine Eifersuchtsqualen wegen Gruschenka zu sprechen. Man hörte ihm schweigend und aufmerksam zu; besonderes Interesse erregte der Umstand, daß er auf Marja Kondratjewnas Grundstück schon seit langem einen Geheimposten zur Beobachtung Gruschenkas bei Fjodor Pawlowitsch eingerichtet hatte; auch daß ihm von Smerdjakow Nachrichten zugetragen worden waren, wurde sehr beachtet und niedergeschrieben. Von seiner Eifersucht sprach er leidenschaftlich und ausführlich, und obgleich er sich innerlich dafür schämte, daß er seine intimsten Gefühle sozusagen an den Pranger stellte, überwand er dieses Schamgefühl offenbar, um die volle Wahrheit zu sagen. Der teilnahmslose Ernst in den Blicken des Untersuchungsrichters und vor allem des Staatsanwaltes, die während seines Berichts unverwandt auf ihn gerichtet waren, ärgerte ihn bald ziemlich heftig. Dieser Knabe Nikolai Parfjonowitsch, mit dem ich noch vor ein paar Tagen über die Frauen gewitzelt habe, und dieser kränkliche Staatsanwalt sind es gar nicht wert, daß ich ihnen das erzählt habe! Dieser mißmutige Gedanke ging ihm durch den Kopf. Es ist eine Schmach und Schande! Er schloß seinen Gedanken ab mit dem Vers: »Dulde, füge dich und schweig!« und nahm sich erneut zusammen, um fortfahren zu können. Als er zu seinem Besuch bei Frau Chochlakowa überging, wurde er wieder zornig und wollte über diese Dame sogar ein unlängst in Umlauf gekommenes, nicht zur Sache gehöriges Anekdötchen zum besten geben. Doch der Untersuchungsrichter unterbrach ihn und ersuchte ihn, »zu Wichtigerem« überzugehen. Als er schließlich seine Verzweiflung schilderte und von dem Augenblick erzählte, wo er, das Haus von Frau Chochlakowa verlassend, erwogen hatte, notfalls sogar jemanden zu ermorden, wenn er sich dadurch nur die dreitausend Rubel verschaffen konnte, da unterbrachen sie ihn wieder, und es wurde niedergeschrieben, daß er morden wollte. Mitja ließ es schweigend geschehen. Endlich gelangte er zu dem Punkt, wo er erfahren hatte, daß Gruschenka ihn getäuscht hatte und von Samsonow gleich wieder weggegangen war, obgleich sie zu ihm gesagt hatte, sie würde bei dem Alten bis Mitternacht sitzen. »Meine Herren!« entfuhr ihm an dieser Stelle unwillkürlich. »Wenn ich diese Fenja damals nicht totschlug, so nur deshalb, weil ich keine Zeit hatte!« Auch das wurde sorgfältig aufgeschrieben. Mitja fuhr mit finsterer Miene fort und begann gerade zu berichten, wie er zu seinem Vater in den Garten gelaufen war, als ihn der Untersuchungsrichter plötzlich unterbrach, seine große Mappe, die neben ihm auf dem Sofa lag, öffnete und den Messingstößel herausnahm.
»Ist Ihnen dieser Gegenstand bekannt?« Er zeigte ihn Mitja.
»O ja!« erwiderte Mitja mit trübem Lächeln. »Wie sollte er mir nicht bekannt sein! Lassen Sie mal sehen ... Ach, zum Teufel, nicht nötig!«
»Sie haben vergessen, ihn zu erwähnen!« bemerkte der Untersuchungsrichter.
»Ach, zum Teufel! Verheimlichen wollte ich nichts vor Ihnen, da können Sie sicher sein! Ohne das wäre es ja gar nicht gegangen, sagen Sie selbst! Mir ist es nur nicht in den Sinn gekommen.«
»Haben Sie die Güte, ausführlich zu erzählen, wie Sie sich damit bewaffneten?«
»Schön, ich werde die Güte haben, meine Herren.«
Und Mitja erzählte, wie er den Stößel genommen hatte und mit ihm davongelaufen war.
»Und welche Absicht hatten Sie, als Sie sich mit diesem Instrument bewaffneten?«
»Welche Absicht ich hatte? Gar keine! Ich ergriff es und lief damit davon!«
»Warum denn, wenn Sie keine Absicht dabei hatten?«
In Mitja wallte der Ärger auf. Er sah den »Knaben« unverwandt an und lächelte finster und zornig. Die Sache war die, daß er sich immer mehr schämte, so offenherzig und mit so viel Gefühl »solchen Menschen« die Geschichte seiner Eifersucht erzählt zu haben.
»Ich spucke auf den Stößel!« entfuhr es ihm plötzlich.
»Aber Sie müssen doch etwas damit gewollt haben.«
»Na, wegen der Hunde nahm ich ihn mit. Es war nämlich dunkel ... Na, so für jeden Fall!«
»Haben Sie auch früher, wenn Sie nachts ausgingen, eine Waffe mitgenommen, weil Sie sich so vor der Dunkelheit fürchten?«
»Ach, zum Teufel! Pfui, meine Herren, mit Ihnen kann man aber auch gar nicht reden!« rief Mitja aufs äußerste gereizt; dann wandte er sich, rot vor Zorn, an den Schreiber und sagte hastig, mit
Weitere Kostenlose Bücher