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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Zeit, und zwar durch die allergenaueste, ist in der Voruntersuchung ermittelt und bewiesen worden, daß der Angeklagte, als er von den Dienerinnen zu dem Beamten Perchotin lief, nicht in seiner Wohnung und überhaupt nirgends vorbeigegangen ist; und danach ist er die ganze Zeit mit Menschen zusammen gewesen: Er konnte also gar nicht von den dreitausend Rubeln die Hälfte abteilen und irgendwo in der Stadt verstecken. Dieser Schluß bildet auch den Grund für die Vermutung des Anklägers, daß der Angeklagte das Geld irgendwo im Dorf Mokroje in einer Ritze versteckt habe. Vielleicht in den Kellern des Udolfschen Schlosses, meine Herren? Nun, ist diese Vermutung etwa nicht phantastisch und romanhaft? Und wenn auch nur diese eine Vermutung widerlegt wird, daß nämlich das Geld in Mokroje versteckt wurde, so verflüchtigt sich damit die ganze Beschuldigung wegen Raubes: Denn wo, wo sind dann diese fünfzehnhundert Rubel geblieben? Durch welches Wunder konnten sie verschwinden, wo doch bewiesen ist, daß der Angeklagte nirgends vorbeigegangen ist? Und wir sollen es über uns bringen, mit solchen Romanen ein Menschenleben zugrunde zu richten! Man wird einwenden: ›Aber er hat doch nicht erklären können, wo er diese fünfzehnhundert Rubel hergenommen hat, die bei ihm gefunden wurden! Außerdem wußten alle Leute, daß er bis zu jener Nacht kein Geld besaß.‹ Wer hat das gewußt? Der Angeklagte aber hat eine klare, bestimmte Aussage darüber gemacht, wo er das Geld herhatte, und mit Ihrer Erlaubnis, meine Herren Geschworenen: Nie konnte etwas glaubhafter und zugleich dem Charakter und der seelischen Beschaffenheit des Angeklagten gemäßer sein als diese Aussage! Die Anklage aber hat sich nun einmal in ihren eigenen Roman verliebt: Wenn ein willensschwacher Mensch sich entschlossen habe, dreitausend Rubel anzunehmen, die ihm von seiner Braut in so schmachvoller Weise angeboten wurden, dann sei er nicht imstande gewesen, die Hälfte davon abzuteilen und sie in ein Säckchen einzunähen; vielmehr hätte er, selbst wenn er sie eingenäht hätte, das Säckchen alle zwei Tage wieder aufgetrennt und jedesmal einen Hunderter herausgenommen und so die ganze Summe in einem Monat aufgebraucht. Erinnern Sie sich: Das alles wurde in einem Ton vorgebracht, der keinen Widerspruch duldete. Wie nun, wenn die Sache ganz anders zuging und der Ankläger eben nur einen Roman verfaßt hat, in dem er eine ganz andere Person auftreten läßt? Das ist es eben, daß er eine andere Person geschaffen hat! Vielleicht wendet man ein: ›Es sind Zeugen dafür vorhanden, daß er im Dorf Mokroje die ganzen dreitausend Rubel, die er von Fräulein Werchowzewa einen Monat vor der Katastrophe erhalten hatte, mit einemmal verpraßt hat – also kann er nicht die Hälfte davon abgeteilt haben.‹ Aber wer sind diese Zeugen? Der Grad der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen ist während der Gerichtsverhandlung hinreichend klargeworden. Außerdem sieht eine Schnitte Brot in fremder Hand immer größer aus. Und endlich hat keiner dieser Zeugen dieses Geld selbst gezählt, jeder hat nur nach dem Augenmaß geurteilt. Der Zeuge Maximow hat sogar ausgesagt, der Angeklagte habe zwanzigtausend Rubel in der Hand gehabt! Sehen Sie, meine Herren Geschworenen, da die Psychologie ein Stab mit zwei Enden ist, müssen Sie mir schon erlauben, mich des anderen Endes zu bedienen! Wollen wir sehen, was dabei herauskommt ... Einen Monat vor der Katastrophe wurden dem Angeklagten von Fräulein Werchowzewa dreitausend Rubel zur Absendung durch die Post anvertraut; fraglich ist aber, ob sie ihm in so schmählicher, demütigender Weise anvertraut wurden, wie das vorhin laut verkündet worden ist. Als Fräulein Werchowzewa ihre erste Aussage machte, kam das anders heraus, ganz anders; bei der zweiten Aussage jedoch hörten wir nur den Aufschrei der Erbitterung und Rachsucht, den Aufschrei eines lange verborgen gehaltenen Hasses. Schon allein der Umstand, daß die Zeugin einmal, bei ihrer ersten Aussage, unrichtig ausgesagt hat, berechtigt uns zu dem Schluß, daß auch die zweite Aussage unrichtig sein kann. Der Ankläger ›erlaubt sich nicht, wagt nicht‹, dieses Liebesverhältnis zu berühren. Nun gut, ich werde es ebenfalls nicht berühren; dennoch möchte ich mir eine Bemerkung erlauben. Wenn sich eine sittlich hochstehende Person wie das hochverehrte Fräulein Werchowzewa plötzlich vor Gericht erlaubt, ihre erste Aussage zu widerrufen, und zwar in der offenkundigen Absicht, den

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