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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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anderen hinabgesprungen, den wir nur zu Boden geschlagen hatten! Dann wäre bei uns schon ein anderes Gefühl vorhanden gewesen, dann hätten wir nicht an Mitleid gedacht, sondern an unsere eigene Rettung! So wäre das sicherlich gewesen. Wir hätten ihm vielmehr, ich wiederhole es, den Schädel gänzlich eingeschlagen und uns nicht fünf Minuten mit ihm abgegeben. Für das gute Gefühl des Mitleids fand sich in unserem Herzen deswegen Raum, weil unser Gewissen vorher rein war. Da haben Sie eine andere Psychologie! Absichtlich, meine Herren Geschworenen, habe ich selber jetzt meine Zuflucht zur Psychologie genommen, um anschaulich zu zeigen, daß man aus ihr jeden Schluß ziehen kann, der einem beliebt. Es kommt nur darauf an, wer sie handhabt. Die Psychologie verführt sogar die solidesten Männer zum Verfassen von Romanen, und zwar, ohne daß sie es wollen. Ich rede von der unangebrachten Psychologie, meine Herren Geschworenen, von einem gewissen Mißbrauch, der mit ihr getrieben wird.«
    Hier hörte man abermals im Publikum beifälliges Lachen, das wieder auf Kosten des Staatsanwalts ging. Ich werde nicht die ganze Rede des Verteidigers mit allen Einzelheiten wiedergeben; ich wähle nur einige Stellen aus ihr aus, einige besonders wichtige Punkte.
11. Kein Geld – also auch kein Raub
    Es gab in der Rede des Verteidigers einen Punkt, der alle überraschte – nämlich, daß er die Existenz dieser verhängnisvollen dreitausend Rubel und somit auch die Möglichkeit ihres Raubes vollkommen bestritt.
    »Meine Herren Geschworenen!« begann der Verteidiger. »In dem vorliegenden Prozeß frappiert jeden, der als Fremder an ihn herantritt und von Voreingenommenheit frei ist, eine charakteristische Besonderheit: nämlich die Anklage wegen Raubes und gleichzeitig die völlige Unmöglichkeit, faktisch nachzuweisen, was denn nun eigentlich geraubt worden ist. ›Es wurde Geld geraubt‹, heißt es. ›Und zwar dreitausend Rubel.‹ Ob aber dieses Geld tatsächlich existiert hat, das weiß kein Mensch. Überlegen Sie bitte: Erstens, wie haben wir erfahren, daß dreitausend Rubel da waren? Und zweitens, wer hat sie gesehen? Der Diener Smerdjakow war der einzige, der sie gesehen und angegeben hat, sie hätten in einem mit einer Aufschrift versehenen Kuvert gesteckt. Er war es denn auch, der schon vor der Katastrophe davon berichtete, und zwar dem Angeklagten und seinem Bruder Iwan Fjodorowitsch. Auch Fräulein Swetlowa wurde davon in Kenntnis gesetzt. Dennoch haben diese drei Personen das Geld nicht selbst gesehen; gesehen hat es wieder nur Smerdjakow – und da erhebt sich ganz von selbst die Frage: Wenn es auch wahr ist, daß Geld da war und daß Smerdjakow es gesehen hat, wann hat er es zum letztenmal gesehen? Wie, wenn der Herr das Geld aus dem Bett geholt und wieder in die Schatulle gelegt hat, ohne es ihm zu sagen? Beachten Sie, daß nach Smerdjakows Angabe das Geld im Bett unter der Matratze lag. Der Angeklagte mußte es also unter der Matratze hervorziehen – und doch war das Bett in keiner Weise in Unordnung gebracht, wie das im Protokoll ausdrücklich vermerkt worden ist. Wie hat es der Angeklagte fertiggebracht, das Bett gar nicht in Unordnung zu bringen und überdies mit seinen blutigen Händen die ganze frische, feine Bettwäsche nicht zu beflecken, mit der das Bett extra für diesmal versehen worden war? Man wird einwenden: Aber das Kuvert auf dem Fußboden? Über dieses Kuvert lohnt es sich in der Tat etwas zu sagen. Ich bin vorhin einigermaßen erstaunt gewesen: Als der hochbegabte Ankläger auf dieses Kuvert zu sprechen kam, äußerte er selbst, hören Sie, meine Herren, er selbst, und zwar an der Stelle, wo er auf das Törichte der Annahme hinwies, Smerdjakow könnte den Mord begangen haben. ›Wäre dieses Kuvert nicht vorhanden gewesen, wäre es nicht als Indiz auf dem Fußboden liegengeblieben, hätte es der Dieb mitgenommen, so würde es überhaupt niemand wissen, daß ein Kuvert dagewesen war, daß Geld darin gesteckt hatte und daß es somit von dem Angeklagten geraubt worden ist.‹ Also hat nach dem eigenen Bekenntnis des Anklägers einzig und allein dieser zerrissene Fetzen Papier mit der Aufschrift dazu geführt, daß der Angeklagte des Raubes beschuldigt wird: ›Sonst hätte niemand erfahren, daß ein Raub stattgefunden hat, vielleicht auch nicht, daß Geld dagewesen ist.‹ Aber ist etwa allein der Umstand, daß dieser Fetzen Papier am Boden lag, wirklich ein Beweis dafür, daß Geld darin gewesen

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