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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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stellend und unnatürliche Sprünge vollführend, zieht es die Fuhre heraus – bei Nekrassow ist das furchtbar zu lesen. Aber es ist doch nur ein Pferd, und Gott hat uns ja die Pferde dazu gegeben, daß wir sie peitschen. Das haben uns die Tataren beigebracht und uns zur Erinnerung die Knute geschenkt. Aber man kann ja auch Menschen peitschen. Ein intelligenter, gebildeter Herr und seine Gemahlin peitschen zum Beispiel ihr eigenes Töchterchen, ein siebenjähriges Kind, mit Gerten – darüber habe ich mir ausführliche Aufzeichnungen gemacht. Papachen freut sich, daß Ansätze von Zweigen an den Gerten sind. ›Dann zieht es besser!‹ sagt er und beginnt seine eigene Tochter zu peitschen. Ich weiß zuverlässig, es gibt Menschen, die beim Prügeln mit jedem Schlag erregter werden, bis zur Wollust, bis zu einem regelrechten Wollustgefühl, das sich mit jedem Schlag steigert. Jener Vater schlägt also eine Minute lang, dann werden es fünf Minuten, dann zehn, er schlägt weiter, immer mehr, die Schläge fallen immer häufiger und schmerzhafter. Das Kind schreit, es kann schließlich nicht mehr schreien, es keucht nur noch: ›Papa, Papa, lieber Papa, lieber Papa!‹ Durch irgendeinen seltsamen Zufall kommt die Sache vor Gericht. Der Angeklagte nimmt sich einen Advokaten. Das einfache Volk in Rußland nennt einen Advokaten schon längst ein ›gemietetes Gewissen‹. Der Advokat führt zur Verteidigung seines Klienten an: ›Eine ganz einfache Sache, wie sie in jeder Familie vorkommt: Ein Vater hat seine kleine Tochter durchgehauen, und zur Schande unserer Tage kommt so etwas vor Gericht!‹ Die Geschworenen lassen sich überzeugen, ziehen sich zurück und fällen Freispruch. Das Publikum brüllt vor Freude, daß der Peiniger freigesprochen ist. Schade, schade, daß ich nicht dabei war! Ich hätte den Antrag gestellt, zu Ehren dieses Folterknechtes ein Stipendium auf seinen Namen zu stiften ... Allerliebste kleine Geschichten sind das! Doch ich habe über Kinder noch bessere Geschichtchen. Ich habe über Kinder sehr, sehr viel Material gesammelt, Aljoscha. Ein kleines fünfjähriges Mädchen wurde aus irgendeinem Grund von Vater und Mutter, einem sehr achtbaren Beamten und seiner Frau, gebildeten, wohlerzogenen Leuten, gehaßt. Ich behaupte erneut mit aller Bestimmtheit, die Lust, Kinder zu mißhandeln, und zwar ausschließlich Kinder, ist eine Besonderheit vieler Menschen. Gegenüber allen anderen menschlichen Wesen benehmen sich dieselben Leute wohlwollend und freundlich, als gebildete, humane Europäer, doch Kinder zu mißhandeln ist ihnen geradezu ein Vergnügen. Unter diesem Gesichtspunkt lieben sie die Kinder sogar. Gerade die Wehrlosigkeit der kleinen Geschöpfe hat etwas Verlockendes für diese Rohlinge. Die engelhafte Zutraulichkeit des Kindes, das nicht weiß, wo es bleiben und an wen es sich wenden soll – das ist es, was das Blut des Folterers erhitzt. In jedem Menschen steckt natürlich eine Bestie. Diese Bestie kann in Wut geraten, das Geschrei des gequälten Opfers ruft bei ihr eine wollüstige Glut hervor. Von der Kette gelassen, kann diese Bestie nicht mehr zurückgehalten werden; ihre Wildheit wird gesteigert durch Krankheiten infolge eines ausschweifenden Lebenswandels, wie Podagra, Leberleiden und so weiter. Die gebildeten Eltern unterwarfen also dieses arme fünfjährige Mädchen allen möglichen Foltern. Sie schlugen es, peitschten es, stießen es mit Füßen, ohne zu wissen warum, so daß der ganze Körper der Kleinen mit blauen Flecken bedeckt war. Zuletzt verfielen sie auf höchst raffinierte Martern. Sie sperrten sie bei starker Kälte eine ganze Nacht auf dem Abort ein. Und sie beschmierten ihr das Gesicht mit Kot und zwangen sie, diesen Kot zu essen: zur Strafe dafür, daß sie sich nachts bei einem körperlichen Bedürfnis nicht gemeldet hatte. Die eigene Mutter zwang sie dazu, die eigene Mutter! Und diese Mutter konnte schlafen, während das Stöhnen des armen Kindes zu hören war, das sie an diesem widerwärtigen Ort eingesperrt hatten Verstehst du das, wenn das kleine Wesen, das noch nicht einmal zu begreifen versteht, was mit ihm geschieht, sich in Dunkelheit und Kälte und Gestank mit dem Fäustchen ängstlich gegen die Brust schlägt und mit unschuldigen, frommen Tränen den ›lieben Gott‹ um Schutz anfleht – verstehst du diese Sinnlosigkeit, du mein Freund und Bruder, du demütiger Diener Gottes? Verstehst du, wozu diese Sinnlosigkeit notwendig ist, wozu sie da ist? Man sagt,

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