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Die Rose von Byzanz

Die Rose von Byzanz

Titel: Die Rose von Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Gordon
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1. KAPITEL
    Byzanz 985
    Das Erste, was sie von ihm wahrnahm, war sein Blick. Sie spürte ihn auf ihrer Haut kribbeln.
    Johanna hob den Kopf und schaute sich suchend um. Sie wusste, dass sie ihn erkennen würde, wer auch immer er war, der auf ihrer Haut das Beben tanzen ließ, das sie längst vergessen geglaubt hatte.
    Da stand er, am gegenüberliegenden Ende des kleinen Platzes. Händler, Edelleute und Soldaten drängten an ihm vorbei. Wie groß er war! Wie finster seine Gesichtszüge, wie dunkel seine Augen! Er trug die Kleidung eines Warägergardisten; einige Strähnen seines blonden Haars hingen unter dem Helm hervor, und sein Gesicht wirkte durch den Bartschatten dunkler.
    Ein Nordmann, dachte sie erschüttert. Sie versuchte, den Blick von ihm abzuwenden. Sie verabscheute jeden Mann, der über den Sklavenmarkt von Byzanz schlenderte und die Ware in Augenschein nahm. Besonders verhasst waren ihr aber die Nordmänner, seit diese Johannas Heimatdorf im fernen Frankenreich überfallen, die Alten getötet und die jungen Leute gefangen genommen hatten. Damit hatte ihr Martyrium begonnen, das Johanna über Haithabu, die Kiewer Rus und das Schwarze Meer hierher geführt hatte. So war sie in den Besitz von Kallistos gelangt, der sich rühmte, die schönsten Sklavinnen der Christenheit zu versteigern.
    Sie war eine dieser Sklavinnen.
    Sie konnte den Blick nicht von ihm lassen. Und obwohl sie ihn hassen wollte, wie sie alle anderen Nordmänner im Stillen hasste, war etwas an ihm, das sie nicht losließ. Das sie nicht wegschauen ließ. Das ihre Knie weich werden ließ. Sie schwankte, und im nächsten Moment spürte sie den dicken Sklavenhändler Kallistos, der hinter ihrem Rücken auftauchte und ihr die Gerte in die Rippen rammte, mit der er sie in den letzten Stunden immer wieder getriezt hatte, wenn sie sich vor Erschöpfung kaum mehr auf den Füßen halten konnte und versuchte, sich hinzuhocken.
    „Steh gerade“, knurrte er. „Und senk gefälligst den Kopf, du Feuerhexe.“
    Feuerhexe. So hatte er sie stets genannt, seit er sie in Haithabu von einem Nordmann gekauft hatte. Einen Beutel gehacktes Silber hatte es ihn gekostet, Ise und sie zu erwerben. Johanna war für ihn die Feuerhexe, der Beifang, den er in Kauf nehmen musste, um Ise zu erwerben, denn der Nordmann hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie einzeln anzubieten. Ise aber war die zarte blonde Nymphe, die jeder Mann gerne in sein Bett holte, und Kallistos’ Augen hatten gierig geglitzert, als er die Mädchen in der Schenke länger als nötig auf Krankheiten untersuchte, wie er es nannte. Ihn interessierten nur die hübschen, jungen Mädchen. Johanna verabscheute er wegen ihrer roten Haare und ihres Hexenblicks. Hätte ein Sturm sein Schiff auf der Heimfahrt nach Byzanz erfasst, hätte er wohl nicht gezögert, sie über Bord zu werfen, um die Naturgeister zu besänftigen. Er hatte Angst vor ihr, doch das war für sie ein schwacher Trost. Gehorsam senkte sie den Kopf. Wie ein Vorhang fiel das rote Haar vor ihr Gesicht.
    Das Nächste, was sie spürte, war seine Bewegung.
    Der Nordmann löste sich von der Bretterwand der Bude, an die er sich so lässig gelehnt hatte, während er sie beobachtete. Johanna spürte ihn nur, obwohl sie gerne den Kopf gehoben hätte. Sie hatte schon mehrfach am eigenen Leib erfahren, was es hieß, Kallistos nicht zu gehorchen. Seine Gerte verteilte schmerzhafte Hiebe, ohne die Haut blutig zu reißen. Hübsche Jungfrauen sollten mit reiner Haut in die Versteigerung gehen.
    Johanna holte zitternd Luft. Sie spürte die Schritte des Warägers auf den Stufen zum Podest, auf dem sie und ihre Leidensgenossinnen seit den frühen Morgenstunden reglos standen und von allen Männern begafft, begrapscht und beurteilt wurden. Kallistos hatte Johanna seitdem nichts zu trinken gegeben, und ihre Zunge klebte geschwollen und wie ein trockener Fremdkörper am Gaumen. Sie schluckte, doch auch das tat weh.
    „Habt Ihr Interesse an meiner Ware, mein Herr?“ Sofort war Kallistos zur Stelle und schob sich zwischen die Mädchen und den Nordmann. Johanna beobachtete aus dem Augenwinkel, dass der Fremde den Sklavenhändler ein Stückchen überragte, obwohl er eine Stufe unter ihm stand.
    „Nein, mich interessieren deine Mädchen nicht. Aber mein Herr interessiert sich für ein paar Mädchen, die ihm die Zeit vertreiben.“
    Seine Stimme … sie war wie ein bitterer Gesang in ihrem Kopf. Sie hatte das Gefühl, nur noch aus dieser Stimme zu bestehen, die in

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