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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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sie ihn irgendwo in der glühenden Wüste bei einem Brunnen an Kaufleute verkauft hatten und wie er geweint und seine Brüder händeringend gebeten hatte, ihn nicht in ein fremdes Land zu verkaufen. Und siehe da, als er sie nun nach so vielen Jahren wiedersah, gewann er sie von neuem grenzenlos lieb; aber er peinigte und quälte sie, alles aus Liebe. Zuletzt verließ er sie, da er die Qual seines Herzens nicht mehr ertragen konnte, warf sich auf sein Bett und weinte. Dann trocknete er seine Tränen, ging mit strahlendem Antlitz wieder zu ihnen und verkündete ihnen: »Brüder, ich bin Joseph, euer Bruder!« Er lese ihnen weiter, wie sich der alte Jakob freute, als er erfuhr, daß sein lieber Knabe noch am Leben war, wie er sogar seine Heimat verließ und nach Ägypten zog und im fremden Land starb, nachdem er, in seinem Vermächtnis für alte Ewigkeit das große Wort verkündet hatte, das sein Leben lang geheimnisvoll in seinem frommen, furchtsamen Herzen geruht hatte: daß nämlich aus seinem Stamm, aus Juda, die große Hoffnung der Welt, ihr Versöhner und Heiland, hervorgehen werde! Meine Väter und Lehrer, verzeiht mir und zürnet mir nicht, daß ich wie ein kleiner Knabe von Dingen rede, die ihr schon längst wißt und über die ihr mich hundertmal kunstvoller und schöner belehren könnt. Nur aus Begeisterung sage ich das alles. Und verzeiht mir auch diese Tränen, weil ich dieses Buch liebe! Und sollte auch er, der Priester Gottes, in Tränen ausbrechen, so wird er sehen, daß als Antwort darauf die Herzen seiner Zuhörer erbeben werden. Es ist ja nur ein winziges Samenkorn erforderlich: Wenn er dieses in die Seele des einfachen Mannes wirft, wird es nicht ersterben, sondern in ihm sein ganzes Leben lang leben, inmitten des Dunkels und der Wirrnis der Sünden verborgen als ein heller Punkt, als eine große Erinnerung. Und es ist gar nicht nötig, viel zu erläutern und zu lehren, er wird alles ganz einfach begreifen. Denkt etwa jemand, der einfache Mann könnte es nicht begreifen? Er versuche es, er lese ihm weiter die ergreifende Geschichte von der schönen Esther und der hochmütigen Vasthi oder die wunderbare Erzählung von dem Propheten Jona im Bauch des Walfischs. Er vergesse auch nicht die Gleichnisse des Herrn nach dem Evangelium des Lukas, die habe ich auch nie vergessen, und aus der Apostelgeschichte die Bekehrung des Saulus, der Text ist unbedingt nötig, und endlich aus den Lebensbeschreibungen der Heiligen wenigstens das Leben von Alexej dem Gottesmann und der großen, freudigen Märtyrerin, der ägyptischen Mutter Maria, der Gottschauerin und Christusträgerin – und er wird ihm mit diesen einfachen Erzählungen das Herz rühren. Und das nur eine Stunde in der Woche, das geht trotz des geringen Einkommens! Und er wird selbst sehen, daß unser einfaches Volk gut und dankbar ist. Es wird ihm hundertfach Dank abstatten; in Erinnerung an die freundlichen Mühen des Geistlichen und an seine rührenden Worte wird es ihm freiwillig auf dem Feld und im Haus helfen und ihm mehr Achtung entgegenbringen als vorher – und somit wird denn auch sein Einkommen steigen. Die Sache ist so einfach, daß man sich manchmal scheut, sie überhaupt auszusprechen – aus Furcht, von den Leuten ausgelacht zu werden. Doch wie wahr ist sie dabei! Wer nicht an Gott glaubt, wird auch nicht an das Volk Gottes glauben. Wer aber an das Volk Gottes glaubt, wird auch Gottes Heiligtum schauen, selbst wenn er bis dahin überhaupt nicht daran geglaubt hat. Nur das Volk und seine künftige geistige Kraft wird unsere Atheisten bekehren, die sich von der heimischen Erde losgerissen haben. Und was ist das Wort Christi ohne Vorbild? Ohne Gottes Wort geht das Volk zugrunde, denn seine Seele dürstet nach dem Wort und nach jeder schönen geistigen Gabe. In meiner Jugend, es ist schon lange her, fast vierzig Jahre, wanderten Vater Anfim und ich durch ganz Rußland, um Gaben für unser Kloster zu sammeln. Da übernachteten wir einmal, zusammen mit Fischern, am Ufer eines großen, schiffbaren Flusses, und zu uns setzte sich ein gutgewachsener junger Mann, ein Bauer, dem Aussehen nach etwa achtzehn Jahre alt. Er war an diesen Ort geeilt, um am nächsten Tag eine Kaufmannsbarke an Land zu ziehen. Ich sah, wie er mit klaren Augen vor sich hin blickte. Es war eine helle, stille, warme Julinacht, vor uns lag der breite Fluß, Nebel stieg von ihm auf und erfrischte uns, leise plätscherte ab und zu ein Fisch, die Vögel waren verstummt, alles war

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