Die Brueder Karamasow
still und herrlich: alles betete zu Gott. Nur wir beide schliefen nicht, ich und dieser junge Bauer. Wir sprachen über die Schönheit dieser Gotteswelt und über ihr großes, Geheimnis: wie jedes Gräschen, jedes Käferchen, die Ameise, die goldene Biene, alle in erstaunlicher Weise ihren Weg kennen, obgleich sie keinen Verstand besitzen, wie sie von Gottes Geheimnis zeugen und es unaufhörlich selbst erfüllen. Und ich sah, das Herz des lieben jungen Mannes war in Liebe entbrannt. Er teilte mir mit, er liebe den Wald und die Waldvögel; er sei Vogelfänger und kenne jeden Pfiff eines Vogels und könne jeden Vogel anlocken. »Etwas Besseres als das Leben im Wald kenne ich nicht«, sagte er. »Es ist jedoch alles in der Welt schön.« – »Das ist richtig«, antwortete ich ihm. »Alles ist schön und prächtig, weil alles die Wahrheit ist. Schau dir das Pferd an«, sagte ich, »diese große Tier, das dem Menschen so nahesteht, oder den Ochsen, diesen ernsten, nachdenklichen Gesellen, der ihn ernährt und für ihn arbeitet. Betrachte ihre Gesichter; welche Sanftmut, welche Anhänglichkeit an den Menschen, der sie oft unbarmherzig schlägt, welche Gutmütigkeit, welche Zutraulichkeit und welche Schönheit liegt in ihren Gesichtern! Es ist sogar rührend, wenn man bedenkt, daß diese Tiere keine Sünde kennen; denn alles ist vollkommen, alles außer dem Menschen ist frei von Sünden, und mit ihnen ist Christus noch eher als mit uns.« – »Ist Christus wirklich auch bei ihnen?« fragte der junge Mann. »Wie könnte es anders sein?« erwiderte ich ihm. »Ist doch das Wort für alle da. Die ganze Schöpfung und jede Kreatur, jedes Blättchen strebt nach dem Wort, preist Gott, betet weinend zu Christus und vollführt das alles unbewußt, durch das Geheimnis seines sündlosen Lebens ... Dort im Wald«, fügte ich hinzu, »haust ein furchtbarer Bär. Er ist ein grausames, wildes Tier und trägt dennoch keine Schuld daran.« Und ich erzählte ihm, wie ein Bär einmal zu einem großen Heiligen kam, der in einer kleinen Zelle im Wald seinem Seelenheil lebte. Der große Heilige erbarmte sich des Tieres, ging furchtlos zu ihm hin und gab ihm ein Stück Brot. »Geh«, sagte er, »Christus sei mit dir!« Und das wilde Tier entfernte sich gehorsam und sanftmütig, ohne ihm etwas getan zu haben ... Der junge Mann war ganz ergriffen davon, daß er weggegangen war, ohne dem Eremiten etwas getan zu haben, und daß dieser zu ihm gesagt hatte: »Christus sei mit dir!« – »Wie schön ist das hier«, sagte er, »wie schön und wunderbar ist das Werk Gottes!« Er saß da, in stille, frohe Gedanken versunken. Ich sah, daß er alles verstanden hatte. Und er entschlummerte neben mir und schlief sanft und sündlos. Gott segne die Jugend! Ich selbst aber betete dort für ihn, bevor er einschlief. O Herr, sende deinen Menschen Frieden und Licht!
c) Erinnerungen des Starez Sossima an seine Jugendzeit. Das Duell
In Petersburg, im Kadettenkorps, blieb ich lange, beinahe acht Jahre, und die neue Erziehung überdeckte vieles von den Eindrücken meiner Kindheit, obgleich ich nichts vergaß. Dafür nahm ich so viele neue Gewohnheiten und sogar Ansichten an, daß ich mich fast in ein wildes, grausames und albernes Wesen verwandelte. Die Politur der Höflichkeit und die weltlichen Umgangsformen machte ich mir zugleich mit der französischen Sprache zu eigen; die Soldaten, die uns im Korps bedienten, betrachteten wir jedoch als das reine Vieh – ich ebenfalls. Ich tat das vielleicht noch stärker als die anderen, weil ich unter den Kameraden für alles am empfänglichsten war. Offiziere geworden, waren wir zwar bereit, für die Ehre des Regimentes unser Blut zu vergießen, aber worin die wahre Ehre nun eigentlich bestand, davon hatte fast niemand von uns einen Begriff; und hätte ich es erfahren, hätte ich sicher als erster darüber gelacht. Auf Trunkenheit, Ausschweifungen und Tollkühnheit waren wir geradezu stolz. Ich will nicht sagen, daß wir schlecht waren; alle diese jungen Leute waren gute Kerle. Aber wir benahmen uns gemein, und am gemeinsten von allen ich. Die Hauptsache war, daß ich mein Vermögen besaß; deshalb begann ich mit dem ganzen Ungestüm der Jugend, ohne jede Zurückhaltung, meinem Vergnügen zu leben: Ich fuhr mit vollen Segeln. Doch erstaunlicherweise las ich damals auch Bücher, und sogar mit großem Genuß. Nur die Bibel schlug ich in jener Zeit fast niemals auf, trennte mich jedoch nie von ihr, sondern behielt
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