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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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erstaunt und betrübt. »Was tust du mir an? Du hast mich zur Besinnung gebracht, hast mich gequält – und jetzt kommt wieder die Nacht, und ich soll wieder allein bleiben!«
    »Er kann doch nicht bei dir übernachten? Aber wenn du willst, meinetwegen! Dann werde ich eben allein weggehen!« neckte Rakitin sie boshaft.
    »Schweig, du schlechter Mensch!« schrie Gruschenka ihn zornig an.«Nie hast du mir solche Worte gesagt wie er.«
    »Was hat er denn so Besonderes gesagt?« brummte Rakitin gereizt.
    »Ich weiß es nicht, ich erinnere mich nicht. Er hat zu meinem Herzen gesprochen, das Herz hat er mir umgekehrt ... Er ist der erste und einzige Mensch, der mit mir Mitleid gehabt hat, das ist es! Warum bist du nicht früher gekommen, mein Engel?« Sie fiel plötzlich wie verzückt vor ihm nieder auf die Knie. »Mein ganzes Leben habe ich auf einen solchen Menschen wie dich gewartet! Ich wußte, daß ein solcher kommen und mir verzeihen wird! Ich glaubte, daß auch mich, so gemein ich bin, jemand liebgewinnen wird, und nicht für einen schändlichen Preis!«
    »Was habe ich dir denn Gutes getan?« antwortete Aljoscha gerührt, wobei er sich zu ihr hinabbeugte und zärtlich ihre Hand ergriff. »Ich habe dir eine Zwiebel gereicht, eine einzige winzige Zwiebel, weiter nichts, weiter nichts!«
    In diesem Augenblick ertönte plötzlich Lärm auf dem Flur; jemand kam ins Vorzimmer. Gruschenka sprang erschrocken auf. Laut kam Fenja ins Zimmer gelaufen.
    »Gnädiges Fräulein, Täubchen, gnädiges Fräulein! Die Stafette ist da!« rief sie außer Atem. »Ein Reisewagen aus Mokroje will Sie abholen, der Kutscher Timofej mit einer Troika, es werden schon Pferde angespannt ... Ein Brief, gnädiges Fräulein, hier ist ein Brief!«
    Sie hatte den Brief in der Hand und schwenkte ihn die ganze Zeit in der Luft umher. Gruschenka entriß ihr den Brief und trug ihn an die Kerze. Es war nur ein Zettelchen mit wenigen Zeilen, sie hatte es im Nu durchgelesen.
    »Er hat mich gerufen!« schrie sie. Sie war ganz blaß geworden, und ihr Gesicht verzog sich zu einem schmerzlichen Lächeln. »Er hat gepfiffen. Krieche hin, Hündchen!«
    Aber nur einen Augenblick schien sie unentschlossen. Mit einem mal stieg ihr das Blut in den Kopf und färbte ihre Wangen dunkelrot.
    »Ich werde fahren!« rief sie plötzlich. »Ihr meine fünf Jahre, lebt wohl! Lebe wohl, Aljoscha, mein Schicksal ist entschieden! Geht weg, geht jetzt alle von mir weg, damit ich euch nie mehr sehe! Gruschenka ist zu einem neuen Leben davongeflogen ... Behalt auch du mich nicht in schlechter Erinnerung, Rakitka! Vielleicht gehe ich in den Tod! Ich bin wie betrunken!«
    Sie verließ die beiden unvermittelt und lief in ihr Schlafzimmer.
    »Na, um uns kümmert die sich jetzt nicht mehr!« brummte Rakitin. »Wir wollen gehen, sonst fängt womöglich dieses Weibergeschrei wieder an. Dieses Weinen und Schreien hängt mir schon zum Halse heraus!«
    Aljoscha ließ sich mechanisch hinausführen. Auf dem Hof stand ein Reisewagen, die Pferde wurden ausgespannt, Leute liefen mit Laternen, es war ein geschäftiges Treiben. Durch das geöffnete Tor wurde ein frisches Dreigespann hereingeführt.
    Doch kaum waren Aljoscha und Rakitin aus der Haustür getreten, öffnete sich ein Fenster in Gruschenkas Schlafstube, und sie rief Aljoscha mit lauter Stimme nach: »Aljoschetschka, grüß deinen Bruder Mitenka und sag ihm, er möchte, obwohl ich ihm Übles angetan habe, nicht im Bösen an mich denken! Und bestell ihm von mir mit meinen Worten: Gruschenka ist einem Schuft zugefallen und nicht dir edeldenkendem Menschen! Und füge noch hinzu, daß Gruschenka ihn ein Stündchen lang geliebt hat, nur ein Stündchen lang, und er soll sich an dieses Stündchen von nun an sein Leben lang erinnern! Sag ihm, mit diesen Worten habe Gruschenka es dir aufgetragen: ›Sein Leben lang‹ ...«
    Sie konnte zuletzt kaum noch reden. Das Fenster wurde wieder zugeschlagen.
    »Hm, hm!« brummte Rakitin lachend. »Sie hat deinem Bruder Mitenka den Todesstoß versetzt und bittet ihn nun noch, sein Leben lang an sie zu denken. So eine raffinierte Grausamkeit!«
    Aljoscha gab keine Antwort, als ob er nichts gehört hätte. Wie in großer Eile lief er neben Rakitin; er schien alles um sich vergessen zu haben und ging nur mechanisch.
    Rakitin fühlte plötzlich einen Stich, als hätte man seine frische Wunde mit dem Finger berührt. Als er vorhin Gruschenka mit Aljoscha zusammenbrachte, hatte er etwas ganz anderes

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