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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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wären. Das Haus zu bewachen, davor fürchtete sich Kolja nicht; außerdem war ja noch Pereswon bei ihm, dem er befohlen hatte, im Vorzimmer unter einer Bank »ohne Bewegung« auf dem Bauch zu liegen und der gerade deswegen jedesmal, wenn Kolja bei seinen Rundgängen ins Vorzimmer kam, mit dem Kopf zuckte und zwei kräftige, bittende Schläge mit dem Schwanz vollführte – doch leider ertönte der rufende Pfiff nicht. Kolja warf dem unglücklichen Hund einen drohenden Blick zu, und dieser erstarrte wieder zu gehorsamem Scheintod. Wenn etwas Kolja in Verlegenheit brachte, so waren es einzig und allein die »Knirpse«. Für das unerwartete Ereignis mit Katerina hatte er selbstverständlich nur tiefste Verachtung, aber die verwaisten »Knirps« mochte er sehr gern, er hatte ihnen bereits ein Kinderbuch gebracht. Nastja, die ältere, die schon acht Jahre alt war, konnte lesen; und der jüngere »Knirps«, der siebenjährige Kostja, hörte gern zu, wenn Nastja ihm etwas vorlas. Selbstverständlich hätte Kolja sie auf interessantere Weise beschäftigen können, er hätte sie zum Beispiel beide nebeneinanderstellen und mit ihnen Soldaten spielen oder mit ihnen im ganzen Haus Versteck spielen können. Das hatte er früher schon wiederholt getan, und das war durchaus nicht unter seiner Würde, so daß sich in seiner Klasse sogar einmal das Gerücht verbreitet hatte, Krassotkin spiele bei sich zu Hause mit seinen kleinen Hausgenossen Pferdchen. Kolja hatte diese Beschuldigung jedoch stolz widerlegt, indem er darlegte, mit Gleichaltrigen, Dreizehnjährigen Pferdchen zu spielen, das wäre »in unserem Jahrhundert« allerdings wirklich eine Schande; er aber tue das für die »Knirpse«, weil er sie gern habe, und im übrigen habe niemand das Recht, ihn über seine Gefühle zur Rechenschaft zu ziehen! Dafür vergötterten ihn denn auch die beiden »Knirpse«. Diesmal stand sein Sinn nicht nach solchen Spielen. Er hatte eine sehr wichtige eigene Angelegenheit vor sich, an der sogar etwas Geheimnisvolles zu sein schien; inzwischen aber verstrich die Zeit, und Agafja, der er die Kinder hätte übergeben können, wollte noch immer nicht vom Markt zurückkehren. Er war schon mehrere Male über den Flur gegangen, hatte die Tür zur Wohnung der Arztfrau geöffnet und sorgenvoll nach den »Knirpsen« gesehen, die nach seiner Weisung über einem Buch saßen und ihn jedesmal, wenn er die Tür aufmachte, schweigend anlächelten, in der Erwartung, daß er nun hereinkäme und etwas Hübsches und Amüsantes mit ihnen unternähme. Doch Kolja war innerlich unruhig und ging nicht hinein. Da schlug es elf, und er beschloß fest und endgültig, das Haus zu verlassen, wenn die »verfluchte« Agafja nicht in zehn Minuten zurück sein würde, und nicht länger auf sie zu warten; selbstverständlich wollte er sich vorher von den »Knirpsen« versprechen lassen, daß sie in seiner Abwesenheit keine Dummheiten machen und nicht aus Angst weinen würden. Mit diesem Gedanken zog er seinen wattierten Winterüberzieher mit dem Kragen aus Seehundsfell an und hängte sich seine Büchertasche über die Schulter. Seine Mutter hatte ihn zwar früher oft gebeten, er möchte immer die Überschuhe anziehen, wenn er »bei solcher Kälte« von Hause wegging; doch als er durchs Vorzimmer kam, warf er nur einen verächtlichen Blick auf sie und ging in bloßen Stiefeln hinaus. Als Pereswon ihn ausgehbereit sah, begann er angestrengt mit dem Schwanz auf den Fußboden zu schlagen, zuckte nervös mit dem ganzen Körper und schickte sich sogar an, ein klägliches Geheul auszustoßen; aber Kolja war der Ansicht, daß ein sofortiges Nachgeben der Disziplin schaden würde, und ließ ihn wenigstens noch ein Weilchen unter der Bank liegen. Erst als er die Tür zum Flur öffnete, pfiff er ihm plötzlich. Der Hund sprang wie verrückt auf und sprang wild vor Freude umher. Kolja durchschritt den Flur und öffnete die Tür zu den »Knirpsen«. Beide saßen wie vorher an ihrem Tischchen; sie lasen jedoch nicht mehr, sondern stritten hitzig über irgend etwas. Sie stritten sich oft über verschiedene sich aufdrängende Lebensfragen, wobei Nastja als die ältere immer die Oberhand behielt; Kostja hingegen wandte sich, wenn er ihr nicht zustimmen mochte, fast immer hilfesuchend an Kolja, und wie dieser entschied, dabei blieb es dann auch: Das war für beide Teile ein unanfechtbarer Urteilsspruch. Diesmal erweckte der Streit der »Knirpse« bei Kolja ein gewisses Interesse, und er blieb

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