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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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Gerichtsverhandlung gegen den unschuldigen Angeklagten stattfinden würde? Das Geld allein ist ja noch kein Beweis. So ist zum Beispiel mir und noch zwei in diesem Saal anwesenden Personen schon vor einer Woche ganz zufällig bekannt geworden, daß Iwan Fjodorowitsch Karamasow zwei fünfprozentige Staatsschuldscheine zu je fünftausend Rubeln, also im Gesamtbetrag von zehntausend Rubeln, zum Einwechseln in die Gouvernementsstadt geschickt hat. Ich sage das nur, um darauf hinzuweisen, daß alle Leute zu einer bestimmten Zeit im Besitz von Geld sein können und daß, wenn jemand dreitausend Rubel bringt, dadurch noch nicht unbedingt bewiesen ist, daß dieses Geld aus einem bestimmten Schubfach oder Kuvert stammt. Ferner: nachdem Iwan Karamasow gestern eine so wichtige Mitteilung von dem wirklichen Mörder erhalten, hat, verhält er sich vollkommen ruhig. Warum hat er nicht sofort Anzeige erstattet? Warum hat er alles bis zum anderen Morgen verschoben? Ich glaube, daß ich berechtigt bin, eine Vermutung über den Grund auszusprechen. Schon seit einer Woche war seine Gesundheit schwer erschüttert; er selbst hatte dem Arzt und denen, die ihm nahestanden, bekannt, daß er an Visionen litt, daß er Leuten, die schon verstorben waren, begegnete; er stand vor einem Nervenfieber, das heute auch wirklich zum Ausbruch gekommen ist. In diesem Zustand erfuhr er plötzlich von Smerdjakows Ende und stellte bei sich folgende Erwägung an: Der Mensch ist tot, da kann ich gegen ihn aussagen und meinen Bruder retten. Geld habe ich, ich werde ein Päckchen nehmen und sagen, Smerdjakow habe es mir vor seinem Tod gegeben ... Sie werden sagen, das sei unehrenhaft, auch einem Toten gegenüber; doch ist es auch dann unehrenhaft, die Unwahrheit zu sagen, wenn es zur Rettung des Bruders geschieht? Nun, soll es unehrenhaft sein; aber wie, wenn er unbewußt die Unwahrheit gesagt hat? Wenn er sich selbst einbildete, daß es so war, weil seine Denkkraft durch die Nachricht von diesem plötzlichen Tod des Dieners endgültig in Unordnung geraten war? Sie haben ja die Szene von vorhin gesehen, Sie haben gesehen, in welchem Zustand sich dieser Mensch befand. Er stand auf seinen Beinen und redete – aber wo war sein Verstand? Auf diese Aussage des Fieberkranken von vorhin folgte ein Schriftstück, ein Brief des Angeklagten an Fräulein Werchowzewa, den er zwei Tage vor dem Verbrechen geschrieben hat und worin er im voraus ein Programm des Verbrechens mit allen Einzelheiten entwirft. Nun, warum suchen wir da noch ein anderes Programm und andere Verfasser eines solchen? Ganz genau nach diesem Programm ist das Verbrechen begangen worden! Begangen von keinem anderen als dem Verfasser des Programms! Ja meine Herren Geschworenen, es ist so ausgeführt worden, wie es geschrieben stand! Und wir sind überhaupt nicht respektvoll und ängstlich vom Fenster des Vaters fortgelaufen, trotz der festen Überzeugung, daß in jenem Augenblick unsere Geliebte bei ihm war. Nein, das ist absurd und unglaublich. Er ist hineingegangen und hat die Sache zu Ende gebracht. Wahrscheinlich hat er den Totschlag in der Erregung begangen, vor Wut glühend, sobald er seinen Feind und Nebenbuhler erblickte; doch nachdem er ihn totgeschlagen hatte – was er vielleicht mit einem einzigen Schlag, mit einem einzigen Ausholen seines mit dem Messingstößel bewaffneten Arms vollbrachte – und nachdem er sich dann durch eingehende Untersuchung überzeugt hatte, daß sie nicht da war, da hat er allerdings nicht vergessen, die Hand unter das Kopfkissen zu schieben und das Kuvert mit den Banknoten hervorzuholen, das jetzt hier zerrissen auf dem Tisch mit den Beweisstücken liegt. Ich sage das, damit Sie auf einen meiner Ansicht nach sehr charakteristischen Umstand achten. Wäre es ein routinierter Mörder gewesen und besonders ein Mörder, mit der Absicht zu rauben, hätte er dann wohl das zerrissene Kuvert auf dem Fußboden liegenlassen, so wie wir es neben der Leiche gefunden haben? Wäre es zum Beispiel Smerdjakow gewesen, der den Mord um des Raubes willen begangen hätte, so hätte er doch einfach das Kuvert mitgenommen, ohne sich die Mühe zu machen, es neben der Leiche zu öffnen, da er genau wußte, daß in dem Kuvert Geld war: Es war ja vor seinen eigenen Augen hineingetan und versiegelt worden. Hätte er jedoch das Kuvert ganz mitgenommen, so hätte kein Mensch gewußt, ob ein Raub stattgefunden hatte. Ich frage Sie, meine Herren Geschworenen, wäre Smerdjakow wohl so verfahren?

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