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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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eingehen können, da dieser epileptische Anfall im Hause Unruhe hervorrufen mußte. Ich will jedoch einräumen: Mag er darauf eingegangen sein; dann wäre es allerdings darauf hinausgelaufen, daß Dmitri Karamasow der Mörder und Anstifter war, Smerdjakow dagegen nur ein passiver Teilnehmer, ja eigentlich nicht einmal ein Teilnehmer: Seine Schuld bestände nur darin, aus Furcht und wider seinen Willen das Verbrechen zugelassen zu haben – das Gericht hätte das sicherlich unterscheiden können. Aber was sehen wir? Kaum ist der Angeklagte verhaftet, als er sofort alles auf Smerdjakow abwälzt und diesen allein beschuldigt. Er beschuldigt ihn nicht, gemeinsam mit ihm das Verbrechen begangen zu haben, sondern allein. ›Allein‹, sagt er, ›hat er es getan! Er hat den Mord und den Raub begangen, das ist sein Werk!‹ Nun, was sind das für Spießgesellen, die sich sofort gegenseitig beschuldigen, das gibt es doch gar nicht! Und beachten Sie noch dies: Was wäre das für ein Risiko für Karamasow gewesen! Er wäre der Hauptmörder gewesen, während der andere die Tat nur zugelassen und hinter dem Bretterverschlag gelegen hätte; und dennoch würde er die Schuld auf den anderen schieben. Da könnte doch derjenige, der nur dagelegen hat, ärgerlich werden und nur um der Selbsterhaltung willen schleunigst die reine Wahrheit sagen: ›Wir haben es beide gemeinsam getan! Nur habe ich nicht gemordet, sondern lediglich aus Furcht die Tat geduldet und zugelassen!‹ Smerdjakow hätte ja begreifen können, daß das Gericht sofort den Gradunterschied der Schuld erkennen würde, und hätte darauf rechnen können, daß seine Strafe unvergleichlich viel milder ausfallen würde als die des Hauptmörders, der alles auf ihn abzuwälzen suchte. Also hätte er unwillkürlich ein Geständnis abgelegt. Wir haben aber nicht erlebt, daß das geschehen wäre. Smerdjakow hat kein Wort von einer gemeinsamen Täterschaft gesagt, obwohl der Mörder ihn eindeutig beschuldigt und die ganze Zeit ihn als den einzigen Mörder hingestellt hat. Und noch mehr: Smerdjakow hat vor der Untersuchungsbehörde ausgesagt, daß er selbst dem Angeklagten von dem Kuvert mit dem Geld und von den Signalen erzählt hat und daß dieser ohne ihn nichts davon erfahren hätte. Wäre er nun wirklich ein Mittäter und Mitschuldiger gewesen, hätte er dann so ohne weiteres der Untersuchungsbehörde gesagt, daß er selbst dem Angeklagten alles mitgeteilt hat? Vielmehr hätte er geleugnet und die Tatsachen zu entstellen und abzuschwächen versucht. Aber er hat nichts entstellt und abgeschwächt. So kann nur ein Unschuldiger handeln, der nicht fürchtet, daß er der Mittäterschaft bezichtigt wird. Und nun hat er sich gestern in einem Anfall krankhafter Schwermut infolge seiner Epilepsie und dieser ganzen plötzlich hereingebrochenen Katastrophe erhängt und nur einen Zettel hinterlassen, auf den er in eigenartiger Ausdrucksweise geschrieben hat: ›Ich vernichte mein Leben nach meinem eigenen Willen, um niemanden zu beschuldigen.‹ Was hätte es ihm ausgemacht, auf dem Zettel hinzuzufügen: ›Der Mörder bin ich und nicht Karamasow?‹ Er hat das jedoch nicht hinzugefügt – hat sein Gewissen zu dem einen Schritt ausgereicht, zu dem anderen aber nicht? Und wie steht es mit folgendem: Vorhin hat uns ein Zeuge hier in die Gerichtsverhandlung Geld gebracht, dreitausend Rubel. ›Das Geld aus dem Kuvert‹, sagt er, ›das da auf dem Tisch mit den Beweisstücken liegt. Ich habe es gestern von Smerdjakow erhalten.‹ Aber bitte, meine Herren Geschworenen, erinnern Sie sich selbst an das traurige Bild von vorhin! Ich will Ihnen die Einzelheiten nicht nochmals vorführen, sondern möchte mir nur erlauben, zwei oder drei Erwägungen anzustellen, wobei ich die unbedeutendsten auswähle, gerade weil sie unbedeutend sind und somit nicht jedem in den Sinn kommen und leicht übersehen werden können. Erstens: also aus Gewissensbissen hat Smerdjakow gestern das Geld zurückgegeben und sich selbst erhängt; denn ohne Gewissensbisse hätte er das Geld nicht zurückgegeben. Und natürlich hat er erst gestern abend zum erstenmal Iwan Karamasow sein Verbrechen gestanden, wie das Iwan Karamasow selbst gesagt hat; denn warum hätte dieser sonst bis jetzt geschwiegen? Er hat also gestanden, doch warum hat er, frage ich wieder, auf dem Zettel, den er vor seinem Tod geschrieben hat, uns nicht die volle Wahrheit mitgeteilt, obwohl er doch wußte, daß schon am nächsten Tag die

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