Die Brueder Karamasow
erstens, damit der Diener Grigori, der eigentlich eine Kur vornehmen wollte, vielleicht seine Kur aufschöbe und aufbliebe, um Wache zu halten, wenn er sähe, daß niemand da war, das Haus zu bewachen. Zweitens natürlich, damit der Herr selbst, wenn er sah, daß ihn niemand bewachte, in seiner schrecklichen Angst vor dem Kommen seines Sohnes das Mißtrauen und die Vorsicht verdoppelte. Endlich aber, und das war der Hauptzweck, damit man ihn, Smerdjakow, wegen seines epileptischen Anfalls sogleich aus der Küche, wo er sonst immer von allen abgesondert schlief und seinen besonderen Eingang und Ausgang hatte, umquartierte, in das andere Ende des Seitengebäudes, in Grigoris Zimmer, zu ihnen beiden hinter den Bretterverschlag, drei Schritt von dem Bett des Ehepaares entfernt, wie das Marfa Ignatjewna auf Anordnung des Herrn und aus eigenem Mitleid immer tat, sobald ihm ein Anfall zustieß. Dort hinter dem Bretterverschlag liegend, wollte er dann, höchstwahrscheinlich, um recht glaubhaft den Kranken zu spielen, natürlich zu stöhnen anfangen, das heißt, er wollte die beiden aufwecken, wie es nach der Aussage Grigoris und seiner Frau auch wirklich geschehen ist – und das alles, um ungestört plötzlich aufstehen und dann den Herrn ermorden zu können! Aber, wird man vielleicht sagen, er hat ja eben deswegen simuliert, damit man ihn als einen Kranken nicht verdächtigen konnte. Und er hat dem Angeklagten von dem Geld und den Signalen eben deshalb berichtet, damit dieser sich verführen ließ, selbst den Mord auszuführen. Und wenn der dann nach dem Mord weggehen und das Geld mitnehmen und dabei vielleicht Geräusch und Lärm machen und Zeugen aufwecken würde, dann wollte auch Smerdjakow aufstehen und hingehen – nun, zu welchem Zweck wollte er dann hingehen? Doch wohl, um den Herrn zum zweitenmal totzuschlagen und das bereits weggenommene Geld zum zweitenmal wegzunehmen. Meine Herren, Sie lachen? Ich schäme mich selbst, solche Vermutungen aufzustellen; doch ist es gerade dies, was der Angeklagte behauptet: ›Nach mir‹, sagt er, ›als ich Grigori niedergeschlagen und Alarm verursacht und das Grundstück verlassen hatte, ist er aufgestanden und hingegangen und hat den Mord und den Raub verübt!‹ Ich will nicht einmal davon reden, wie Smerdjakow das alles hätte vorherwissen und gleichsam alles im voraus an den Fingern berechnen sollen: daß nämlich der gereizte, unberechenbare Sohn einzig und allein zu dem Zweck kommen würde, um respektvoll durchs Fenster zu sehen, sich trotz der Kenntnis der Signale zurückzuziehen und ihm, Smerdjakow, seine Beute zu überlassen! Meine Herren, ich stelle allen Ernstes die Frage: Wo ist der Augenblick, da Smerdjakow sein Verbrechen begangen hat? Zeigen Sie mir diesen Augenblick; ohne dies fällt die Beschuldigung in sich zusammen. Doch vielleicht war der epileptische Anfall echt? Der Kranke kam plötzlich zu sich, hörte einen Schrei, ging hinaus – nun, und was weiter? Er sah sich um und sagte sich: ›So, jetzt werde ich hingehen und den Herrn totschlagen!‹ Aber woher wußte er, was sich da ereignet hatte, er hatte ja bis dahin bewußtlos dagelegen? Indessen, meine Herren, auch das Phantasieren hat seine Grenze. ›Gut‹, werden scharfsinnige Leute sagen, ›aber wenn sie nun beide zusammen den Mord begingen und das Geld teilten? Was dann?‹ Ja, das ist tatsächlich ein schwerwiegender Verdacht – uns fallen sofort bedeutsame Indizien auf, die ihn bestätigen: Der eine mordet und nimmt alle Mühen auf sich, der andere Helfershelfer aber liegt ruhig im Bett und heuchelt einen epileptischen Anfall, um im voraus bei allen Verdacht zu erwecken und den Herrn und Grigori in Unruhe zu versetzen. Es wäre interessant zu erfahren, aus welchen Motiven sich die beiden so einen verrückten Plan hätten ausdenken können. Doch vielleicht gab es überhaupt keine aktive Beteiligung von seiten Smerdjakows, sondern sozusagen eine passive? Vielleicht hatte der eingeschüchterte Smerdjakow nur eingewilligt, sich dem Mord nicht zu widersetzen, und sich in der Voraussicht, daß man ihn beschuldigen würde, die Ermordung des Herrn zugelassen und sich nicht widersetzt zu haben, von Dmitri Karamasow die Erlaubnis ausbedungen, zu der betreffenden Zeit anscheinend in einem epileptischen Anfall dazuliegen: ›Morde du dann nach Belieben – was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!‹ Aber selbst wenn es sich so verhielte, hätte Dmitri Karamasow auf keinen Fall auf eine solche Bedingung
Weitere Kostenlose Bücher