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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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gleich aus. Katerina Iwanowna hatte kaum erfahren, daß Sie hier sind, Alexej Fjodorowitsch, als sie auch zu mir kam. Sie möchte Sie dringend sprechen.«
    »Ach, Mama! Gehen Sie allein zu ihr. Er kann jetzt nicht gleich kommen, er hat zu große Schmerzen.«
    »Ich habe gar keine großen Schmerzen und kann sehr wohl zu ihr gehen ...«, sagte Aljoscha.
    »Wie? Sie wollen fortgehen? Also so sind Sie? So einer sind Sie?«
    »Was ist denn? Sowie ich fertig bin, komme ich zurück, und wir können dann wieder miteinander reden, soviel Ihnen beliebt. Es liegt mir aber sehr daran, recht bald mit Katerina Iwanowna zu sprechen, weil ich heute möglichst bald ins Kloster zurückkehren, möchte.«
    »Mama, nehmen Sie ihn und bringen Sie ihn schleunigst weg! Alexej Fjodorowitsch, bemühen Sie sich nicht, nach dem Gespräch mit Katerina Iwanowna noch einmal zu mir zu kommen! Gehen Sie direkt in Ihr Kloster, da ist Ihr Platz! Ich möchte schlafen, ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen.«
    »Ach, Lise, das sind alles nur Scherze von dir. Doch wie wäre es, wenn du jetzt wirklich ein bißchen schläfst?« rief Frau Chochlakowa.
    »Ich weiß nicht, wodurch ich ... Ich werde noch ungefähr drei Minuten bleiben. Wenn Sie wollen, auch fünf«, murmelte Aljoscha.
    »Auch fünf! Bringen Sie ihn bloß schnell weg, Mama! Dieses Ungeheuer!«
    »Lise, du hast den Verstand verloren! Kommen Sie, Alexej Fjodorowitsch, sie ist heute zu launenhaft! Ich habe Angst, sie zu reizen. Oh, es ist ein Kreuz mit so einem nervösen Mädchen, Alexej Fjodorowitsch! Aber vielleicht ist sie während des Zusammenseins mit Ihnen müde geworden. Wie haben Sie sie nur so schnell müde gemacht? Das ist ja ein wahres Glück!«
    »Ach, Mama, wie lieb Sie jetzt reden! Ich will Ihnen einen Kuß dafür geben, Mamachen.«
    »Und ich dir auch, Lise. Hören Sie, Alexej Fjodorowitsch«, flüsterte Frau Chochlakowa geheimnisvoll und mit wichtiger Miene, während sie mit Aljoscha wegging. »Ich will Ihnen nichts einflüstern und nicht den Schleier lüften. Gehen Sie hinein und sehen Sie sich selbst alles mit an, was da vorgeht – es ist wahrhaftig zum Erschrecken! Es ist die phantastischste Komödie, die man sich denken kann. Sie liebt Ihren Bruder Iwan Fjodorowitsch und will sich mit Gewalt einreden, daß sie Ihren Bruder Dmitri Fjodorowitsch liebt. Es ist schrecklich. Ich gehe mit Ihnen zusammen hinein und warte das Ende ab, wenn ich nicht hinausgejagt werde...«
5. Überspanntheit im Salon
    Aber im Salon war das Gespräch bereits beendet. Katerina Iwanowna war sehr erregt, obgleich sie äußerlich einen entschlossenen Eindruck machte. In dem Augenblick, als Aljoscha und Frau Chochlakowa eintraten, stand Iwan Fjodorowitsch gerade auf, um hinauszugehen. Sein Gesicht war ein wenig blaß, Aljoscha musterte es beunruhigt. Für einen seiner Zweifel, für ein Rätsel, das ihn seit einiger Zeit gequält hatte, fand Aljoscha nämlich jetzt hier eine Lösung. Schon seit einem Monat hatte er mehrere Male und von verschiedenen Seiten zu hören bekommen, sein Bruder Iwan liebe Katerina Iwanowna und beabsichtige, sie seinem Bruder Mitja »abspenstig zu machen«. Bis zuletzt hatte Aljoscha das für eine Ungeheuerlichkeit gehalten, obwohl es ihn wirklich tief beunruhigte. Er liebte seine Brüder beide und fürchtete eine solche Nebenbuhlerschaft zwischen ihnen. Und doch hatte ihm Dmitri Fjodorowitsch auf einmal gestern selbst erklärt, er freue sich sogar über die Nebenbuhlerschaft seines Bruders Iwan; sie werde ihm, Dmitri, bei vielem behilflich sein. Wobei behilflich? Gruschenka zu heiraten? So einen Schritt hielt Aljoscha für ein verzweifeltes Wagnis. Außerdem hatte er, ohne im geringsten zu zweifeln, bis zum gestrigen Abend geglaubt, Katerina Iwanowna selbst liebe seinen Bruder Dmitri leidenschaftlich – aber er hatte es nur bis zum gestrigen Abend geglaubt. Außerdem hatte er sich aus irgendeinem Grund immer vorgestellt, sie könne einen Menschen wie Iwan gar nicht lieben, sie liebe eben seinen Bruder Dmitri, und zwar so, wie er ist, trotz der Ungewöhnlichkeit einer solchen Liebe. Doch gestern, während der Szene mit Gruschenka, war er plötzlich zu einer anderen Auffassung gelangt. Das Wort »Überspanntheit«, das Frau Chochlakowa soeben verwendet hatte, ließ ihn fast zusammenzucken, da er gerade in dieser Nacht, als er im Morgengrauen halbwach dalag, wahrscheinlich nach einem Traum, vor sich hin gesagt hatte: »Überspanntheit! Überspannt!« Geträumt hatte er die ganze

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