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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Nacht von der gestrigen Szene bei Katerina Iwanowna. Jetzt nun äußerte Frau Chochlakowa plötzlich offen und mit aller Bestimmtheit ihre Überzeugung, Katerina Iwanowna liebe seinen Bruder Iwan und betrüge sich absichtlich, aus Spielerei, aus »Überspanntheit« selbst und quäle sich mit ihrer irrtümlichen, auf einer Art Dankbarkeit beruhenden Liebe zu Dmitri. Das hatte Aljoscha stark beeindruckt. ›Ja‹, sagte er sich, ›vielleicht liegt die volle Wahrheit tatsächlich in diesem Wort!‹ Doch wie war in diesem Fall die Lage seines Bruders Iwan? Aljoscha fühlte instinktiv, daß ein Charakter wie Katerina Iwanowna herrschen mußte; herrschen konnte sie aber nur über einen Menschen wie Dmitri, kaum über einen wie Iwan. Denn nur Dmitri könnte sich ihr, allerdings nur für kurze Zeit, schließlich zu seinem eigenen Glück fügen, was sogar Aljoschas Wunsch gewesen wäre, Iwan aber nicht. Iwan konnte sich ihr nicht fügen, und eine derartige Fügsamkeit würde ihm auch kein Glück bringen. Diese Ansicht hatte sich Aljoscha unwillkürlich bereits über Iwan gebildet. Und nun gingen ihm alle diese Zweifel und Erwägungen in dem Augenblick durch den Kopf, als er in den Salon trat. Und noch ein Gedanke drängte sich ihm plötzlich unwiderstehlich auf: ›Wie, wenn sie keinen von beiden liebt, weder den einen noch den anderen?‹ Ich vermerke, daß sich Aljoscha solcher Gedanken gewissermaßen schämte und sich jedesmal Vorwürfe machte, wenn sie ihm im letzten Moment zufällig in den Kopf kamen. ›Was verstehe ich denn von der Liebe und den Frauen, wie kann ich nur solche Schlüsse ziehen?‹ sagte er sich mit Selbstvorwürfen, wenn er etwas Derartiges dachte. Und doch konnte er nicht umhin, so zu denken. Er verstand instinktiv, daß diese Nebenbuhlerschaft in dem Schicksal seiner Brüder jetzt eine wichtige Frage bildete, von der überaus viel abhing. Ein Reptil frißt das andere auf, hatte Bruder Iwan gesagt, als er gestern in gereizter Stimmung vom Vater und von Dmitri sprach. Also war Dmitri in seinen Augen ein Reptil, und vielleicht betrachtete er ihn schon lange als ein solches? Wohl seitdem er Katerina Iwanowna kennengelernt hatte? Die Worte waren Iwan gestern sicher unwillkürlich entfahren, doch dadurch waren sie nur um so bedeutungsvoller. Wenn es so stand, wie konnte da Friede herrschen? Ergaben sich daraus nicht neue Anlässe für Haß und Feindschaft in der Familie? Die Hauptsache aber war, mit wem sollte er, Aljoscha, sympathisieren? Was sollte er ihnen wünschen? Er liebte sie beide, doch was sollte er ihnen wünschen, angesichts so furchtbarer Gegensätze? In diesem Wirrwarr konnte man sich unmöglich zurechtfinden. Aljoschas Herz aber konnte keine Ungewißheit ertragen, denn seine Liebe war immer tätiger Natur. Untätig lieben konnte er nicht; wenn er jemand liebgewann, machte er sich auch gleich daran, ihm zu helfen. Doch dazu mußte er sich ein Ziel setzen, mußte er bestimmt wissen, was dem anderen gut und nützlich war. Wenn er sich von der Richtigkeit eines Zieles überzeugt hatte, war es für ihn selbstverständlich, daß er auch half. Aber statt eines festen Zieles sah er jetzt überall nur Unklarheit und Wirrwarr. Eine Überspanntheit! Dieses Wort war heute gefallen. Doch was sollte er darunter verstehen? Gleich das erste Wort in diesem Wirrwarr war ihm unverständlich!
    Als Katerina Iwanowna Aljoscha erblickte, sagte sie erfreut zu Iwan, der gerade geben wollte: »Noch einen kleinen Augenblick! Bleiben Sie noch einen Augenblick! Ich möchte die Meinung dieses Menschen hören, dem ich von ganzem Herzen vertraue. Katerina Ossipowna, bleiben Sie auch«, fügte sie, an Frau Chochlakowa gewandt, hinzu. Sie bat Aljoscha, an ihrer Seite Platz zu nehmen, und Frau Chochlakowa setzte sich gegenüber, neben Iwan Fjodorowitsch.
    »Hier sind nun alle meine Freunde beisammen, alle meine lieben Freunde, die ich auf der Welt habe«, begann Katerina Iwanowna in warmem Ton, in dem aufrichtiges Leid mitschwang, Aljoschas Herz wandte sich ihr sofort wieder zu. »Sie, Alexej Fjodorowitsch, waren gestern Zeuge dieser schrecklichen Szene und haben gesehen, wie ich mich benahm. Sie, Iwan Fjodorowitsch, haben es nicht gesehen, er aber hat es gesehen. Was er gestern von mir gedacht hat, weiß ich nicht. Ich weiß nur das eine: Würde sich dasselbe jetzt auf der Stelle wiederholen, würde ich dieselben Gefühle zum Ausdruck bringen, dieselben Worte sprechen und dieselben Gesten machen. Sie erinnern sich an meine

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