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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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eine verrückte, unberechenbare Frau bin? Ich habe dir die volle Wahrheit gesagt! Mit Mitja habe ich nur Spaß getrieben, um nicht zu dem anderen zu laufen ... Schweig, Rakitka, es steht dir nicht zu, über mich zu richten; mit dir habe ich nicht gesprochen. Bevor ihr kamt, habe ich hier gelegen und gewartet und nachgedacht und einen entscheidenden Beschluß über mein weiteres Schicksal gefaßt! Und ihr werdet niemals erfahren, was in meinem Herzen vorgegangen ist. Sag deinem Fräulein, Aljoscha, sie möchte wegen des Vorfalls von vorgestern nicht böse sein! Und niemand in der ganzen Welt weiß, wie mir jetzt zumute ist, und es kann auch niemand wissen ... Denn vielleicht nehme ich heute ein Messer mit; darüber bin ich noch zu keinem festen Entschluß gekommen ...«
    Als Gruschenka das ausgesprochen hatte, konnte sie sich plötzlich nicht mehr beherrschen. Sie redete nicht weiter, verbarg das Gesicht in den Händen, warf sich aufs Sofa in die Kissen und schluchzte wie ein kleines Kind.
    Aljoscha stand von seinem Platz auf und trat zu Rakitin.
    »Mischa«, sagte er, »sei nicht zornig! Du bist von ihr beleidigt worden, aber sei nicht zornig! Hast du mit angehört, was sie soeben gesagt hat? Man darf von der Seele eines Menschen nicht gar zuviel verlangen: man muß Mitleid haben.«
    Aljoscha hatte aus einem unbezwinglichen Drang seines Herzens so gesprochen. Es war ihm ein Bedürfnis gewesen, sich auszusprechen, und so hatte er sich an Rakitin gewandt. Wenn Rakitin nicht dagewesen wäre, hätte er es für sich allein ausgerufen. Doch Rakitin blickte ihn spöttisch an, und Aljoscha brach plötzlich ab.
    »Du bist immer noch mit der Weisheit deines Starez geladen und schießt nun diese Weisheit auf mich ab, Aljoschenka, du kleiner Gottesmann!« erwiderte Rakitin mit haßerfülltem Lächeln.
    »Lache nicht, Rakitin. Lächle nicht, sprich nicht so von dem Verstorbenen! Er stand höher als alle, die auf Erden leben!« rief Aljoscha mit tränenerstickter Stimme. »Nicht als Richter wollte ich zu dir sprechen, sondern selbst als der niedrigste von denen, die gerichtet werden. Wer bin ich im Vergleich mit ihr? Ich kam hierher, um zugrunde zu gehen, und sagte: Meinetwegen, meinetwegen! Das war eine Folge meines Kleinmuts. Sie aber hat nach fünf Jahren der Qual alles verziehen, alles vergessen und weint, sobald nur jemand kommt und ein aufrichtiges Wort zu ihr sagt! Ihr Verführer ist zurückgekehrt und ruft sie, und sie verzeiht ihm alles und wird voller Freude zu ihm eilen und kein Messer mitnehmen, nein, das wird sie nicht tun! Ich bin kein solcher Mensch! Ich weiß nicht ob du so ein Mensch bist, Mischa – ich bin jedenfalls kein solcher Mensch. Ich habe soeben eine Lektion erhalten ... Sie überragt uns an Liebe ... Hattest du vorher das von ihr gehört, was sie jetzt erzählt hat? Nein, du hattest es noch nicht gehört; denn sonst hättest du schon längst alles verstanden ... Möge ihr auch jene andere verzeihen, die von ihr beleidigt worden ist! Und sie wird ihr verzeihen, wenn sie alles erfährt ... Und sie wird alles erfahren ... Diese Seele ist noch nicht zum Frieden gelangt, man muß Nachsicht mit ihr haben ... In dieser Seele liegt vielleicht ein Schatz verborgen ...«
    Aljoscha verstummte, er rang nach Atem. Rakitin sah ihn trotz seines Ärgers erstaunt an. Nie hätte er von dem stillen Aljoscha so eine lange Rede erwartet.
    »Du entpuppst dich ja als ein gewaltiger Advokat! Du hast dich wohl in sie verliebt, wie? Agrafena Alexandrowna, unser Faster hat sich in dich verliebt, du hast gesiegt!« rief er mit frechem Lachen.
    Gruschenka hob den Kopf von dem Kissen, lächelte und blickte Aljoscha gerührt an. Ihr Gesicht war von den Tränen noch geschwollen, wurde aber durch das Lächeln aufgehellt.
    »Laß ihn, Aljoscha. Du siehst, was er für ein Mensch ist. Du bist mit deiner Rede an den Unrechten gekommen ... Michail Ossipowitsch«, wandte sie sich an Rakitin, »ich wollte dich eigentlich um Verzeihung bitten dafür, daß ich dich beschimpft habe, doch jetzt bin ich von dieser Absicht abgekommen ... Aljoscha, komm zu mir, setz dich hierher!« Sie winkte ihn mit fröhlichem Lächeln heran. »So, setz dich hierher! Und nun sag du mir«, sie ergriff seine Hand und sah ihm lächelnd ins Gesicht, »sag du mir, liebe ich diesen Menschen oder nicht? Ich meine den Verführer: Liebe ich ihn oder nicht? Ehe ihr herkamt, habe ich hier im Dunkeln gelegen und immerzu mein Herz gefragt: Liebe ich ihn oder nicht? Beantworte

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