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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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erschüttern konnte, auf eine Weise zusammengetroffen war, wie es im Leben nicht häufig vorkommt. Doch Rakitin, der ein sehr feines Verständnis für alles hatte, was ihn selbst betraf, war sehr ungeschickt, wo es sich darum handelte, die Gefühle und Empfindungen anderer Menschen zu verstehen; das lag teils an seiner jugendlichen Unerfahrenheit, teils auch an seinem großen Egoismus.
    »Siehst du, Aljoschetschka«, sagte Gruschenka nervös lachend und wandte sich ihm wieder zu, »vor Rakitka habe ich mich damit gerühmt, daß ich eine Zwiebel weggeschenkt habe. Vor dir rühme ich mich nicht damit, ich will dir das in anderer Absicht erzählen. Es ist nur eine Legende, aber eine gute Legende; ich habe sie, als ich noch ein Kind war, von Matrjona gehört, die jetzt bei mir als Köchin dient. Hör zu. ›Es war einmal eine böse, sehr böse Frau, und die starb. Und als sie gestorben war, wußte niemand von irgendeiner guten Tat, die sie getan hätte. Da ergriffen sie die Teufel und warfen sie in den feurigen See. Aber ihr Schutzengel stand da und dachte: An welche gute Tat von ihr könnte ich mich wohl erinnern, um sie Gott vorzutragen? Da fiel ihm etwas ein, und er sagte zu Gott: Sie hat einmal eine Zwiebel aus ihrem Gemüsegarten einer Bettlerin geschenkt. Und da antwortete ihm Gott: Nimm diese Zwiebel und strecke sie der im See Schwimmenden hin! Soll sie sie ergreifen und sich an ihr festhalten! Und wenn du sie so aus dem See herausziehen kannst, mag sie ins Paradies eingehen. Wenn aber die Zwiebel abreißt, soll das Weib da bleiben, wo sie jetzt ist. Der Engel lief zu ihr und streckte ihr die Zwiebel entgegen. Da, sagte er, ergreif sie und halte dich daran fest! Und er begann sie vorsichtig herauszuziehen und hatte sie schon fast herausgezogen; doch als die übrigen Sünder in dem See sahen, daß diese Frau herausgezogen wurde, da klammerten sie sich alle an sie, um ebenfalls herausgezogen zu werden. Sie aber wurde böse, sehr böse, stieß mit den Füßen nach ihnen und schrie: Ich werde herausgezogen, nicht ihr! Das ist meine Zwiebel, nicht eure! Kaum hatte sie das gesagt, zerriß die Zwiebel. Und die Frau fiel zurück in den See und brennt da noch bis auf den heutigen Tag. Der Engel aber weinte und ging fort.‹ Das ist die Legende, Aljoscha. Ich habe sie auswendig behalten, weil ich selbst diese böse Frau bin ... Vor Rakitka habe ich mich gerühmt, daß ich eine Zwiebel weggeschenkt habe, aber vor dir rede ich anders! Ich habe in meinem ganzen Leben wohl auch nur eine einzige Zwiebel weggeschenkt, das ist meine einzige gute Tat. Und wo du das nun weißt, lobe mich nicht mehr, Aljoscha! Halte mich nicht für gut! Ich bin schlecht, böse, sehr böse, und wenn du mich noch weiter lobst, werde ich mich schämen müssen. Ach, jetzt werde ich nun wohl alles beichten ... Hör zu, Aljoscha. Ich wollte dich so gern zu mir locken, daß ich Rakitin fünfundzwanzig Rubel versprach, wenn er dich zu mir bringt. Einen Moment, Rakitin!« Sie ging mit schnellen Schritten zum Tisch, öffnete die Schublade, holte ihr Portemonnaie heraus und entnahm ihm einen Fünfundzwanzigrubelschein.
    »So ein Unsinn, so ein Unsinn!« rief Rakitin verblüfft.
    »Nimm, was ich dir schuldig bin, Rakitka. Du wirst es doch nicht ablehnen, du hast ja selbst darum gebeten.« Sie warf ihm die Banknote hin.
    »Ablehnen, das fehlte noch!« erwiderte Rakitin. Er war offenbar verlegen, verbarg als forscher junger Mann jedoch seine Beschämung. »Das wird mir jetzt sehr zupaß kommen. Die Dummköpfe sind ja dazu da, daß ein kluger Mann von ihnen profitiert.«
    »Und jetzt schweig, Rakitka! Alles, was ich jetzt sage, ist eigentlich nicht für deine Ohren bestimmt. Setz dich dort in die Ecke und schweig! Du liebst uns beide nicht, also schweig wenigstens!«
    »Wofür sollte ich euch denn lieben?« antwortete Rakitin grob, der seinen Ärger nicht mehr verbarg. Den Fünfundzwanzigrubelschein steckte er in die Tasche; zweifellos schämte er sich vor Aljoscha. Er hatte damit gerechnet, diesen Lohn erst später zu erhalten, so daß der andere nichts davon erfuhr; jetzt aber war er wütend vor Scham. Bis zu diesem Augenblick hatte er es für klüger gehalten, Gruschenka trotz aller Seitenhiebe, die sie ihm versetzte, nicht so sehr zu widersprechen, weil es ihm klar war, daß sie über ihn eine gewisse Macht besaß. Doch jetzt brauste auch er auf: »Man liebt zum Dank für empfangenes Gut. Ihr beide, was habt ihr mir Gutes getan?«
    »Liebe ohne eine Ursache! So

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