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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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jedoch ziemlich schnell«, sagte Iwan Fjodorowitsch ruhig und ohne mit einer Wimper zu zucken.
    »Meinen Sie das im Ernst?« fragte Miussow und starrte ihn unverwandt an.
    »Wäre alles Kirche geworden, würde die Kirche den Verbrecher einfach ausschließen, ihm aber nicht den Kopf abschlagen«, fuhr Iwan Fjodorowitsch fort. »Nun frage ich Sie, wohin sollte der Ausgeschlossene gehen? Er müßte nicht nur von den Menschen, er müßte auch von Christus weggehen. Er hätte sich ja mit seinem Verbrechen auch gegen die Kirche aufgelehnt. Im Grunde ist das auch jetzt der Fall, doch wird es nicht deutlich ausgesprochen. Der Verbrecher von heute beruhigt sein Gewissen häufig durch Erwägungen wie diese: ›Ich bin zwar ein Dieb, doch kein Dieb an der Kirche. Ich bin kein Feind Jesu Christi!‹ das sagt sich heute jeder Verbrecher. Sobald aber die Kirche an die Stelle des Staates getreten ist, dürfte es schwer sein, so zu sprechen; es müßte denn der Verbrecher die Kirche der ganzen Erde verneinen und schlechthin behaupten: ›Es irren alle; alle sind vom rechten Wege abgewichen und bilden eine falsche Kirche; nur ich, der Mörder und Dieb, bin die wahre christliche Kirche.‹ Sich das zu sagen, ist aber doch schwer und nur in besonderen seltenen Fällen möglich. Nun nehmen Sie auf der anderen Seite die kirchliche Auffassung vom Verbrechen: Muß sie nicht wesentlich anders sein als die jetzige, beinahe heidnische? Und muß nicht die mechanische Abstoßung des kranken Gliedes, wie sie heute zum Schutz der Gesellschaft üblich ist, allmählich ersetzt werden durch die Idee einer Wiedergeburt des Menschen, seiner Auferstehung und seiner Rettung?«
    »Was soll denn das heißen? Ich verstehe wieder nichts mehr!« unterbrach ihn Miussow. » Das ist wieder so eine Träumerei! Etwas Formloses, das kein Mensch versteht! Was heißt denn das: Ausschließung? Welch eine Ausschließung meinen Sie? Ich fürchte, Sie machen sich über uns lustig, Iwan Fjodorowitsch.«
    »Eigentlich findet ja jetzt dasselbe statt«, begann auf einmal der Starez, zu dem sich sofort alle wandten. »Denn gäbe es jetzt keine Kirche Christi, so gäbe es für den Verbrecher kein Einhalten, nicht einmal eine Strafe für seine Tat – das heißt keine wirkliche, denn die mechanische, wie Sie sie nannten, regt doch meistens nur das Herz auf. Die einzig wirksame, abschreckende und friedenbringende Strafe liegt im Bewußtsein des eigenen Gewissens.«
    »Gestatten Sie die Frage: Wie meinen Sie das‹?« fragte Miussow lebhaft interessiert.
    »Ich meine es folgendermaßen«, entgegnete der Starez. »Alle Verbannungen zur Zwangsarbeit, zu denen früher noch Körperstrafen kamen, bessern niemand und schrecken keinen Verbrecher ab; denn die Zahl der Verbrechen vermindert sich nicht, sondern wächst immer mehr. Das müssen Sie zugeben. Infolgedessen ist die Gesellschaft auf diese Weise gar nicht geschützt; man sondert wohl ein schädliches Mitglied ab und verbannt es weit weg, daß es niemand mehr zu sehen bekommt, aber an seiner Stelle erscheint sogleich ein anderer Verbrecher, womöglich gar zwei. Wenn irgend etwas sogar in unserer Zeit die Gesellschaft schützt und den Verbrecher bessert und in einen anderen Menschen verwandelt, so allein das Gesetz Christi, das sich im Bewußtsein des eigenen Gewissens kundtut. Nur wer sich seiner Schuld als Sohn der Gemeinschaft Christi, das heißt der Kirche, bewußt ist, wird die Schuld auch vor der Gemeinschaft, das heißt vor der Kirche, bekennen. Nur vor der Kirche vermag der heutige Verbrecher seine Schuld zu bekennen, nicht vor dem Staat. Läge also die Gerichtsbarkeit in den Händen einer Gemeinschaft wie der Kirche, würde diese Gemeinschaft wissen, wen sie aus der Verbannung zurückzurufen und wiederaufzunehmen hat. Solange aber die Kirche keine tatsächliche Gerichtsbarkeit ausübt, sondern nur die Möglichkeit einer moralischen Verurteilung besitzt, solange hält sie sich von jeder tatsächlichen Bestrafung des Verbrechers fern. Sie schließt ihn nicht aus ihrer Mitte aus, sie verweigert ihm nicht ihren mütterlichen Trost. Ja mehr noch, sie bemüht sich sogar, die christliche Gemeinschaft mit dem Verbrecher in vollem Umfang aufrechtzuerhalten; sie läßt ihn zum Gottesdienst und zum Abendmahl zu, gibt ihm Almosen und verkehrt mit ihm wie mit einem Verblendeten, nicht wie mit einem Schuldigen. O Gott, was würde aus dem Verbrecher, wenn ihn die christliche Gemeinschaft, das heißt die Kirche, ebenso verstoßen würde

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