Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin
Prolog
»… Es geht die Sage, dem König Sanforan sei in dieser dunklen Zeit nächtens ein geheimnisvolles Katzenwesen ans dem mystischen Walde Andauriens erschienen, um ihm einen letzten Ausweg zu weisen. So erhielt er Kunde von einem Land jenseits der endlosen Wüste und hinter dem großen Gebirge, das ihm als Zufluchtsort verheißen wurde.« aus: »Die Chronik Nymaths«
Nackte Körper glänzten im Schein der Feuerkörbe. Glühende Kohlen zeichneten die Umrisse dreier Krieger auf die kahlen Felswände der Höhle.
Regungslos standen die Auserwählten da, schwer atmend unter den tönernen Masken mit dem katzenhaften Antlitz des Fruchtbarkeitsgottes Shura. Ihr Blick war starr auf die Felle in der Mitte der Höhle gerichtet, während sie mit jedem Atemzug mehr von dem süßlichen Wohlgeruch einsogen, der die Luft erfüllte.
Draußen, im Dickicht des Waldes, rief ein Nachtara durchdringend und schrill. Dann verstummte er.
Kein Laut war mehr zu hören. Und dennoch …
Ein Schatten schob sich vor das Mondlicht, das eben noch in den Eingang der verborgenen Höhle gedrungen war.
In den schweren Duft des Elixiers, das in den flachen Tonschalen unter der Hitze der Glut langsam verdampfte, mischte sich – wie von einem Windhauch getragen – der strenge Geruch eines Raubtiers.
Die Auserwählten durchfuhr ein Schauder. Nicht mehr lange, dann würden auch sie erfahren, wovon einige wenige Männer ihres Blutes mit leuchtenden Augen zu berichten wussten. Dann würden auch sie erleben, was es bedeutete, auserwählt zu sein.
Leise und verlockend strich ein Schnurrlaut durch die Höhle.
Sie kam.
Mit geschmeidigen Bewegungen löste sich ein Schatten aus dem Eingang und glitt lautlos in die Höhle hinein. Eine Frau, schlank und anmutig, die gleich einer Katze auf allen vieren auf die Felle zupirschte.
Eine Felis! Ein Wesen, halb Mensch, halb Tier und doch gänzlich anders. Makellos schön, aber unberechenbar und immer noch so gefährlich, wie ihre Schöpfer sie einst geschaffen hatten.
Der strenge Geruch nahm zu, verdrängte den süßlichen Duft und schürte die Begierde der Auserwählten. Wie Raubtiere nahmen sie die Witterung der Katzenfrau auf.
Doch die Felis wusste um die Gefahr, die fernab ihrer Heimat auf sie lauerte. Sie nahm sich die Zeit, die Höhle mit ihren empfindsamen Sinnen zu erkunden, ehe sie sich auf den Fellen niederließ.
Ein letztes Mal wandte sie die feine Nase witternd in Richtung des Eingangs, wohl wissend, dass sie von nun an wehrlos und ausgeliefert sein würde. Dann gab sie sich ganz den Instinkten hin, die sie hierher geführt hatten.
Mit ihren geschlitzten gelben Augen suchte sie den Blick des ersten Kriegers und bannte ihn. Seine Muskeln spannten sich, als er sich ihr näherte und sich ehrfürchtig vor ihr verneigte. Der herbe Geruch seines Körpers reizte ihre Sinne. Mit einem begehrlichen Schnurren erwiderte sie den Gruß und bleckte die spitzen Zähne. Die Finger zu Klauen gekrümmt, grub sie die gebogenen Krallen tief in die Felle, während sie voller Ungeduld beobachtete, wie er langsam, fast scheu hinter sie trat.
Die Luft in der Höhle schien sich zu verdichten. In kurzen heftigen Atemzügen sog die Felis Luft in die Lungen, um die Hitze zu lindern, die seine Nähe in ihr entfachte. Wie eine feurige Glut spürte sie das Verlangen in sich aufsteigen, als seine kräftigen Hände sie berührten …
»Ergreift sie!« Der Befehl zerriss die Stille wie ein Donnerschlag.
Das rötliche Zwielicht wich grellem Fackelschein, als mehr als ein Dutzend schwer bewaffneter Krieger die Höhle stürmten. Mit raschen, wohl gezielten Schwertstreichen durchtrennten sie die Kehlen der beiden Männer neben den Fellen, ehe diese sich der Bedrohung auch nur bewusst wurden, während der dritte gleichsam fassungslos auf die blutige Schwertspitze starrte, die ihn hinterrücks durchbohrt hatte. Dickes, zähflüssiges Blut quoll unter seiner Maske hervor und erstickte seinen Atem in einem gurgelnden Laut. Dann sackte er kraftlos in sich zusammen.
Die Felis reagierte instinktiv. Noch ehe sie der Körper des Sterbenden unter sich begrub, schnellte sie hoch, richtete sich auf und wandte sich den Angreifern zu. Die Krieger überragten sie um mehr als Haupteslänge, doch die Katzenfrau zeigte keine Furcht.
»Achtet auf die Augen!« Der warnende Ruf schallte über die Köpfe der Krieger hinweg, die ihr Runkas, Lanzen und Schwerter entgegenstreckten.
Die Katzenfrau fauchte. Sie war eine erfahrene Jägerin und
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