Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
damals drei oder fünf Sekunden lang furchtbar gehaßt – mit jenem Haß, der von der wahnsinnigsten Liebe nur ein Haar breit entfernt ist! Ich trat ans Fenster, legte die Stirn an die gefrorene Scheibe, und ich erinnere mich, daß das Eis mir an der Stirn wie Feuer brannte. Lange hielt ich sie nicht auf, beunruhige dich nicht! Ich wandte mich wieder um, ging zum Tisch, öffnete den Schubkasten und nahm ein Wertpapier über fünftausend Rubel, fünfprozentiges, nicht auf den Namen ausgestelltes heraus, das in meinem französischen Lexikon lag. Das zeigte ich ihr schweigend, faltete es zusammen, reichte es ihr, öffnete ihr selbst die Tür zum Flur und verbeugte mich vor ihr, ganz tief in der respektvollsten Weise. Ich war tief ergriffen, glaub mir! Sie zitterte am ganzen Körper, sah mich eine Sekunde lang starr an und wurde furchtbar blaß wie ein Tischtuch. Und auf einmal, ebenfalls ohne ein Wort zu sagen, verbeugte sie sich ganz tief und sank mit geradezu zu Füßen, so daß sie mit der Stirn den Boden berührte, nicht mit einer heftigen Bewegung, sondern ganz weich, nicht so wie es im Institut gelehrt wird, sondern auf echt russische Art. Sie sprang auf und lief hinaus. Als sie weg war, zog ich den Degen und wollte mich durchbohren – warum, weiß ich nicht. Es wäre natürlich eine furchtbare Dummheit gewesen. Sicher wohl vor Entzücken. Hast du Verständnis dafür, daß man sich auch vor Entzücken das Leben nehmen kann? Aber ich durchbohrte mich nicht, ich küßte nur den Degen und steckte ihn wieder in die Scheide was ich dir übrigens gar nicht zu erzählen brauchte. Ich bin eben bei der Erzählung meiner Seelenkämpfe wohl ein bißchen weitschweifig geworden, um mich selbst zu loben. Aber meinetwegen, mag es so sein! Hole der Teufel alle Spione des Menschenherzens! Das ist alles, was ich damals mit Katerina Iwanowna gehabt habe. Bruder Iwan weiß davon und du – sonst niemand.«
    Dmitri Fjodorowitsch stand auf, machte in starker Erregung ein paar Schritte, zog das Taschentuch heraus, wischte sich den Schweiß von der Stirn und setzte sich wieder, aber nicht auf den vorigen Platz, sondern auf die Bank an der Wand gegenüber, so daß sich Aljoscha zu ihm umdrehen mußte.
5. Beichte eines heißen Herzens (»Mit den Fersen nach oben«)
    »Jetzt«, sagte Aljoscha, »kenne ich die erste Hälfte dieses Vorganges.«
    »Die erste Hälfte verstehst du jetzt, das ist ein Drama, und es hat sich dort abgespielt. Die zweite Hälfte aber ist ein Trauerspiel und wird sich hier abspielen.«
    »Von der zweiten Hälfte verstehe ich bis jetzt noch nichts«, sagte Aljoscha.
    »Und ich? Verstehe ich es etwa?«
    »Einen Augenblick, Dmitri, da ist noch ein wichtiger Punkt. Du bist doch ihr Bräutigam, auch jetzt ihr Bräutigam?«
    »Ihr Bräutigam wurde ich nicht gleich, sondern erst drei Monate nach dem damaligen Ereignis. Am nächsten Tag sagte ich mir: Der Fall ist nun beendigt und erledigt, eine Fortsetzung wird es nicht geben. Hingehen und ihr einen Heiratsantrag machen – das erschien mir gemein. Sie ihrerseits ließ während der ganzen sechs Wochen, die sie noch in der Stadt blieb, kein Sterbenswörtchen von sich hören. Allerdings mit einer einzigen Ausnahme. Einen Tag nach ihrem Besuch schlüpfte das Dienstmädchen ihrer Familie zu mir und überreichte mir wortlos ein Kuvert. Auf dem Kuvert stand meine Adresse: Herrn Soundso. Ich öffnete es, es war das Geld, das von den fünftausend Rubeln übriggeblieben war. Man hatte nur viertausendfünfhundert Rubel gebraucht, doch bei dem Verkauf des Wertpapiers über fünfhundert Rubel war ein Verlust von mehr als zweihundert Rubel entstanden. So schickte sie mir nur zweihundertsechzig Rubel, glaube ich, genau erinnere ich mich nicht, und zwar nur das Geld – keine Zuschrift, kein Wörtchen, keine Erklärung. Ich suchte in dem Kuvert irgendeine Bleistiftnotiz – nichts! Nun gut, ich lebte dann für die mir verbliebenen Rubel toll drauflos, so daß sich auch der neue Major schließlich genötigt sah, mir einen Verweis zu erteilen. Der Oberstleutnant hatte das Staatsgeld jedenfalls ordnungsgemäß abgeliefert – zur allgemeinen Verwunderung, da kein Mensch mehr geglaubt hatte, daß er das Geld noch besaß. Nachdem er es abgeliefert hatte, fing er an zu kränkeln, mußte sich hinlegen und lag etwa drei Wochen. Dann trat eine Gehirnerweichung ein; und in fünf Tagen war er tot. Er wurde mit militärischen Ehren begraben, da er seinen Abschied noch nicht bekommen hatte. Katerina

Weitere Kostenlose Bücher