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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Iwanowna, ihre Schwester und ihre Tante verzogen zehn Tage nach der Beerdigung nach Moskau. Und da erhielt ich ganz kurz vor ihrem Umzug, am Tag ihrer Abreise – ich hatte die Damen nicht gesehen und sie nicht begleitet – ein winziges Kuvert. Es enthielt ein bläuliches Blatt Briefpapier mit Spitzenrand und darauf nur eine Zeile mit Bleistift: › Ich werde Ihnen schreiben: warten Sie! K.‹ Das war alles.
    Das übrige werde ich dir jetzt mit wenigen Worten erklären. In Moskau änderten sich ihre Verhältnisse sehr schnell, unerwartet wie in einem arabischen Märchen. Die Generalin, ihre wichtigste Verwandte, hatte plötzlich gleichzeitig ihre beiden nächsten Erbinnen, zwei Nichten, verloren; beide waren in derselben Woche an Pocken gestorben. Die erschütterte alte Dame freute sich über Katja wie über eine leibliche Tochter, wie über einen Rettungsstern, klammerte sich an sie und änderte sofort ihr Testament zu Katjas Gunsten. Und da dies erst für die Zukunft Wert hatte, händigte sie ihr augenblicklich achtzigtausend Rubel aus. ›Hier hast du eine Mitgift‹, sagte sie, ›mach damit, was du willst!‹ Ein hysterisches Weib; ich habe sie später in Moskau beobachtet. Na, da bekomme ich nun einmal durch die Post viertausendfünfhundert Rubel zugeschickt; selbstverständlich war ich vor Verwunderung sprachlos. Drei Tage darauf kam auch der versprochene Brief. Ich besitze ihn jetzt noch; ich trage ihn immer bei mir und werde mit ihm sterben – soll ich ihn dir zeigen? Du mußt ihn unbedingt lesen! Sie bietet sich mir als Braut an, ganz von selbst. ›Ich liebe Sie sinnlos!‹ schreibt sie. ›Wenn Sie mich auch nicht lieben, ganz gleich, werden Sie mein Mann! Fürchten Sie sich nicht; ich werde Sie in keiner Hinsicht behindern, ich werde Ihr Möbel sein, ich werde der Teppich sein, über den Sie hinwegschreiten. Ich will Sie lebenslänglich lieben, will Sie vor sich selbst retten ... Aljoscha, ich bin nicht würdig, diese Zeilen mit meinem gemeinen Worten wiederzugeben, mit meinem gemeinen Ton, meinem stets gemein klingenden Ton, den ich niemals habe verbessern können! Dieser Brief hat mich bis auf den heutigen Tag tief beeindruckt, und ist mir etwa jetzt leicht ums Herz, ist mir etwa heute leicht ums Herz? Damals schrieb ich sogleich eine Antwort; es war mir einfach nicht möglich, nach Moskau zu fahren. Unter Tränen schrieb ich diese Antwort, und über eines werde ich mich lebenslänglich schämen! Ich erwähnte, daß sie jetzt eine Mitgift habe und reich sei, ich dagegen nur ein armer ungebildeter Mensch – ich erwähnte das Geld! Ich hätte diese Bemerkung unterdrücken sollen, doch sie kam mir unwillkürlich in die Feder. Dann schrieb ich gleich an Iwan nach Moskau und setzte ihm alles nach Möglichkeit auseinander, der Brief war sechs Seiten lang. Kurz, ich schickte Iwan zu ihr. Warum machst du solche Augen, warum siehst du mich so an? Na ja, Iwan verliebte sich in sie, ist auch jetzt in sie verliebt, das weiß ich. Ich habe eine Dummheit gemacht nach eurer Ansicht, nach der Ansicht der Welt, aber vielleicht wird gerade diese Dummheit jetzt das einzige sein, was uns alle rettet! Siehst du nicht, wie sie ihn achtet, wie hoch sie ihn schätzt? Kann sie denn, wenn sie uns beide miteinander vergleicht, so einen wie mich lieben, und noch dazu nach allem, was hier vorgefallen ist?«
    »Ich bin aber davon überzeugt, daß sie gerade so einen wie dich liebt und nicht so einen wie ihn.«
    »Sie liebt ihre Tugend, nicht mich«, entfuhr es Dmitri Fjodorowitsch unwillkürlich und beinahe zornig. Er lachte auf, doch eine Sekunde später fingen seine Augen an zu funkeln, sein ganzes Gesicht rötete sich, und er schlug heftig mit der Faust auf den Tisch.
    »Ich schwöre, Aljoscha«, rief er mit schrecklichem aufrichtigem Zorn auf sich selbst, »ob du es glaubst oder nicht – so wahr Gott heilig und Christus unser Herr ist, schwöre ich: Obgleich ich soeben über ihre höchsten Gefühle gelächelt habe, weiß ich doch, daß meine Seele millionenmal niedriger ist als ihre, daß ihre Gefühle aufrichtig und echt sind wie bei einem Engel des Himmels! Darin liegt eben die Tragik, daß ich das sehr genau weiß. Was tut es denn, wenn der Mensch ein bißchen pathetisch redet? Tue ich das denn nicht auch? Und doch bin ich aufrichtig, ganz aufrichtig. Was Iwan betrifft, so verstehe ich vollkommen, mit welcher Wut ihn jetzt diese Laune der Natur erfüllen muß, und noch dazu bei seinem Verstand! Wem ist der Vorzug gegeben

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