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Die Brüder Löwenherz

Die Brüder Löwenherz

Titel: Die Brüder Löwenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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klang recht froh.
    »Denn ich will bei dir sein«, fuhr ich fort, »auch wenn es in einem unterirdischen Höllenreich ist.«
    Ein solches Höllenreich war die Katlahöhle. In dieses schwarze Loch hineinzukriechen, das war wie in einen bösen schwarzen Traum einzutauchen, aus dem es kein Erwachen mehr gab; es war, als komme man aus dem Sonnenschein in ewige Nacht. Die ganze Katlahöhle muß ein altes ausgestorbenes Drachennest sein, seit Urzeiten von Bosheit verpestet, dachte ich. Hier sind wohl die Dracheneier zu Tausenden ausgebrütet worden, und grausame Drachen sind in Heerscharen ausgezogen und haben alles, was ihnen in den Weg kam, getötet. So ein altes Drachennest war für Tengil sicher ein vortreffliches Gefängnis. Mir grauste, als ich an all das dachte, was er hier drinnen Menschen angetan hatte. Mir kam die Luft dick vor von all der alten eingetrockneten Bosheit. In der schrecklichen Stille ringsum hörte ich plötzlich seltsames Geflüster. Tief aus dem Inneren der Höhle drang dieses Raunen, und mir war, als erzähle es von aller Pein und allem Weinen und aller Todesqual, von allem, was die Katlahöhle unter Tengils Herrschaft erlebt hatte. Ich wollte Jonathan fragen, ob auch er dieses Flüstern hörte, aber ich tat es nicht. Ich hatte es mir wohl nur eingebildet.

    »Und jetzt, Krümel, machen wir uns auf eine Wanderung, die du nie vergessen wirst«, sagte Jonathan. sondern nur wie Drachen kriechen konnten, und dann wieder wurde der Weg von unterirdischen Strömen versperrt, die wir durchschwimmen mußten. Und schlimmer als alles - bisweilen taten sich gähnende Abgründe vor uns auf. In einen solchen Abgrund wäre ich um ein Haar hinabgestürzt. Ich trug! gerade die Fackel und stolperte. Im selben Augenblick, als ich! fast schon in die Tiefe stürzte, bekam Jonathan mich zu fas-| sen. Und dabei verlor ich die Fackel. Wir sahen sie als Feuerstreifen fallen, tiefer, immer tiefer, und schließlich verschwinden. Da standen wir nun in der Finsternis. In der tiefsten und! schwärzesten Finsternis der Welt. Ich wagte mich nicht zu rühren und nicht zu reden und nicht zu denken. Ich versuchte zu vergessen, daß es mich gab und daß ich dort in der pechschwarzen Dunkelheit unmittelbar vor einem Abgrund stand. Aber ich hörte Jonathans Stimme neben mir. Schließlich gelang es ihm, die zweite Fackel, die wir bei uns hatten, anzuzünden. Und die ganze Zeit über sprach er zu mir, er sprach und sprach, ganz ruhig. Das tut er nur, damit ich nicht vor Schreck umkomme, dachte ich. Und dann plagten wir uns weiter. Wie lange, das weiß ich nicht. In der Tiefe der Katlahöhle gab es keine Zeit. Mir war, als irrten wir dort eine Ewigkeit umher, und ich fürchtete schon, wir kämen zu spät. Vielleicht war es schon Abend, vielleicht war es draußen schon dunkel geworden. Und Orwar ... Vielleicht war er jetzt schon bei Katla! Ich fragte Jonathan, ob er dies glaube.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Aber wenn du nicht den Verstand verlieren willst, dann denk jetzt nicht daran.«
    Wir waren in einen schmalen, gewundenen Gang gekommen, der kein Ende nehmen wollte und immer niedriger und enger wurde. Er schrumpfte in der Höhe und in der Breite, bis man sich kaum noch hindurchzwängen konnte, und schließlich war er nur noch ein Schacht, durch den man kriechen mußte. Aber am anderen Ende des Schachtes waren wir plötzlich in einer großen Höhle. Wie groß, konnten wir nicht wissen, denn der Fackelschein reichte nicht weit. Doch Jonathan probierte das Echo aus.
    »Hohoho«, rief er, und viele Male und von vielen Seiten hörten wir es »Hohoho« antworten. Aber dann hörten wir noch etwas. Eine andere Stimme rief in der Finsternis.
    »Hohoho«, ahmte sie das Echo nach.
    »Was willst du, der du auf geheimen Wegen mit Fackel und Licht kommst?«
    »Ich suche Orwar«, rief Jonathan.
    »Orwar ist hier«, rief die Stimme. »Und wer bist du?«
    »Ich bin Jonathan Löwenherz«, rief Jonathan.
    »Und mein Bruder Karl Löwenherz ist mit mir gekommen. Wir sind hier, um dich zu befreien, Orwar.«
    »Zu spät«, sagte die Stimme, »zu spät - doch habt Dank!«
    Kaum hatte Orwar diese Worte gesprochen, hörten wir, wie sich das Bronzetor mit einem Quietschen öffnete. Jonathan warf die Fackel zu Boden und trat sie aus. Wir blieben wie erstarrt stehen und warteten. Durch das Tor kam ein Tengilmann mit einer Laterne. Und da begann ich, still vor mich hin zu weinen, nicht weil ich Angst hatte, sondern Orwars wegen. Wie konnte es nur so

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