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Die Brüder Löwenherz

Die Brüder Löwenherz

Titel: Die Brüder Löwenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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das hast du ja wohl gemerkt«, antwortete Hubert. »Übrigens habe ich dich heute morgen losreiten sehen, und da dachte ich mir, es wäre gut, aufzupassen, damit dir nichts zustößt. Deshalb bin ich dir nachgeritten.« Ja, lüge du nur, dachte ich. Früher oder später kriegst du es mit Sophia zu tun, dann kann man dich nur noch bedauern. »Wo steckt denn Jonathan?« fragte Hubert. »Wer auf der Wolfsjagd ist, sollte eigentlich hier sein und einige erschießen.«
    Ich blickte umher. Die Wölfe waren jetzt verschwunden. Sie hatten es wohl mit der Angst gekriegt, als der Leitwolf tot niedergefallen war. Und vielleicht trauerten sie um ihn, denn in der Ferne hörte ich klagendes Geheul.
    »Na, wo steckt Jonathan?« fragte Hubert beharrlich, und da blieb mir nichts anderes übrig, als gleichfalls zu lügen. »Er kommt gleich wieder. Er verfolgt gerade ein Wolfsrudel«, sagte ich und wies zu den Bergen hinauf. Hubert grinste. Er glaubte mir nicht, das sah ich ihm an. »Kommst du nicht lieber mit mir ins Kirschtal?« fragte er.
    »Nein, ich muß auf Jonathan warten«, antwortete ich. »Er muß jeden Augenblick wieder hier sein.«
    »Aha«, sagte Hubert. »Aha«, wiederholte er und sah mich dabei ganz merkwürdig an. Und dann - dann zog er das Messer aus seinem Gürtel. Ich schrie leise auf. Was hatte er vor? Wie er dort mit dem Messer in der Hand vor mir im Mondschein stand, jagte er mir größeres Entsetzen ein als alle Wölfe in den Bergen.
    Er will meinen Tod, fuhr es mir durch den Kopf. Er weiß, daß ich weiß, daß er der Verräter ist, und deshalb ist er mir nachgeritten und will mich jetzt töten. Ich begann am ganzen Körper zu zittern. »Tu’s nicht«, schrie ich. »Tu’s nicht!« »Tu was nicht?« fragte Hubert. »Töte mich nicht«, schrie ich.
    Da wurde Hubert ganz blaß vor Zorn. Mit einem Satz war er bei mir, so nahe, daß ich vor Schrecken fast hintenübergefallen wäre. »Du kleiner Lümmel, was sagst du da?« Er packte mich bei den Haaren und schüttelte mich. »Du Schafskopf«, sagte er. »Hätte ich dich tot sehen wollen, hätt ich dich dem Wolf überlassen können.« Er hielt mir das Messer unter die Nase, es war ein scharfes Messer, das sah ich.
    »Damit ziehe ich den Wölfen das Fell vom Leibe«, sagte er. »Dazu brauche ich es und nicht, um kleine dumme Bengels totzustechen.«
    Er gab mir einen Tritt in den Hintern, daß ich vornüber stolperte. Und dann machte er sich daran, den Wolf zu häuten, und die ganze Zeit über fluchte er vor sich hin.
    Eilig bestieg ich Fjalar, denn ich wollte nichts als fort von hier, oh, wie ich mir wünschte, von hier fortzukommen! »Wo willst du hin?« schrie Hubert.
    »Ich reite Jonathan entgegen«, sagte ich und hörte selber, wie verängstigt und jämmerlich es klang.
    »Ja, tu das nur, du Schafskopf«, rief Hubert, »Bring dich um, bitte schön, ich werde dich nicht mehr davon abhalten.« Aber da preschte ich schon in vollem Galopp davon, und Hubert konnte mir egal sein.
    Vor mir im Mondschein wand sich der Pfad höher in die Berge empor. Ein mildes Mondlicht schien, ganz klar war es, beinahe wie Tageslicht, so daß man alles erkennen konnte, was für ein Glück! Sonst wäre ich verloren gewesen. Denn hier gab es Steilhänge und Abgründe, daß einem schwindelte vor so viel schrecklicher Schönheit. Es war, als reite man in einem Traum, ja, diese ganze Mondschein-landschaft kann es nur in einem schönen und wilden Traum geben, dachte ich und sagte zu Fjalar: »Wer, glaubst du, träumt dies wohl? Ich jedenfalls nicht. Es muß jemand anders sein, der sich etwas so übernatürlich Schreckliches und Schönes zusammengeträumt hat, vielleicht Gott?«
    Aber bald war ich so matt und müde, daß ich mich kaum noch im Sattel halten konnte. Irgendwo mußte ich während der Nacht ausruhen.
    »Am liebsten dort, wo es keine Wölfe gibt«, sagte ich zu Fjalar, und das schien auch seine Meinung zu sein. Wer war eigentlich diese Bergpfade als erster gegangen und hatte zwischen den Tälern von Nangijala den Weg gebahnt? Wer hatte sich ausgedacht, wie dieser Pfad ins Heckenrosental verlaufen sollte? Mußte sich dieser Steig wirklich auf so schmalen und winzigen Felsvorsprüngen an so furchtbaren Abgründen entlangwinden? Mir war klar, daß, wenn Fjalar auch nur einmal danebentrat, wir beide in die Tiefe stürzen würden und niemand je erfahren würde, was aus Karl Löwenherz und seinem Pferd geworden war.
    Es wurde immer schlimmer. Schließlich wagte ich nicht einmal, die Augen

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