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Die Brüder Löwenherz

Die Brüder Löwenherz

Titel: Die Brüder Löwenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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warteten - Hubert war es.
    Wartet’s nur ab, dachte ich. Wartet ab, bis er seinen Wolf gehäutet hat, dann kommt er, bestimmt! Dann taucht der Kerl, der euch Sophia ausliefern soll, da hinten auf dem Pfad auf! Ich brannte vor Scham. Welche Schande, daß wir im Kirschtal einen Verräter hatten. Und doch wünschte ich mir, ihn kommen zu sehen, ja, denn dann hätte ich endlich einen Beweis gehabt. Bisher war es nur ein Verdacht, jetzt aber würde ich den Beweis bekommen, und dann konnte ich zu Sophia sagen: »Sorge dafür, daß dieser Hubert verschwindet! Denn sonst ist es bald aus mit dir und uns und dem ganzen Kirschtal!«
    Warten ist unheimlich, wenn man auf etwas Unheimliches wartet! Und ein Verräter ist etwas Unheimliches, und ich spürte es so stark, daß es mir in den Gliedern kribbelte, während ich dort lag. Ich hatte fast keine Angst mehr vor den bei den Männern am Lagerfeuer, weil ich wußte, daß ich dort, wo sich der Pfad um die Felswand schlängelte, gleich einen Verräter auf seinem Pferd erblicken würde. Mir grauste davor, und trotzdem starrte ich mit brennenden Augen dorthin, wo er auftauchen mußte.
    Die beiden am Lagerfeuer starrten in die gleiche Richtung Auch sie wußten, von wo er kommen mußte. Doch keine von uns wußte, wann.
    Wir warteten, sie an ihrem Feuer und ich platt auf dem Bauche liegend in meiner Höhle. Der Mond war zwar an der Höhlenöffnung vorbeigewandert, aber die Zeit war wohl stehensgeblieben. Nichts geschah, wir warteten nur! So lange, daß ich am liebsten aufgesprungen wäre und geschrien hätte, um dieser Warterei ein Ende zu machen, denn mir schien, als war alles: der Mond und die Berge ringsum. Es war, als halte die ganze unheimliche Mondscheinnacht den Atem an und wartete auf den Verräter.
    Und dann kam er. Weit hinten auf dem Pfad mitten im klaren Mondschein näherte sich ein Mann zu Pferde, ja, jetzt sah ich ihn genau dort, wo ich wußte, daß er auftauchen würde. Ur mich überlief eine Gänsehaut bei seinem Anblick - Huber dachte ich, wie kannst du das tun? Die Augen brannten mir, ich mußte sie schließen. Vielleicht tat ich es auch nur, um nichts sehen zu müssen. So lange hatte ich auf diesen Schurken gewartet, und als er endlich kam, konnte ich es nicht über mich bringen, ihm ins Gesicht zu sehen. Darum machte ich die Augen zu. Und hörte nur am dumpfen Aufschlagen der Hufe, wie er näher kam. Schließlich war er auf der Lichtung angelangt und hielt das Pferd an. Und da öffnete ich die Augen.
    Denn ich mußte doch sehen, wie ein Verräter aussah, wenn er seine eigenen Leute verriet, ja, ich wollte mit ansehen, wie Hubert das Kirschtal und alle, die dort lebten, verriet. Aber es war nicht Hubert. Jossi war es. Der Goldhahn.
    Jossi! Und niemand anders l
    Es dauerte eine Weile, bis ich es begriff. Jossi, der so nett und lustig und rotwangig war und der mir Kekse geschenkt und mich getröstet hatte, als ich traurig war – er war der Verräter.
    Und jetzt saß er hier nur ein Stückchen von mir entfernt am Feuer mit den beiden Tengilmännern - Veder und Kader nannte er sie - und sollte erklären, warum er nicht früher gekommen war.
    »Hubert jagt heute nacht in den Bergen Wölfe. Vor ihm mußte ich mich verstecken, das seht ihr doch ein.«
    Veder und Kader schauten trotzdem verdrießlich drein, und Jossi fuhr fort:
    »Diesen Hubert werdet ihr ja hoffentlich nicht vergessen haben! Den solltet ihr genauso wie Sophia in die Katlahöhle stecken, denn er haßt Tengil nicht weniger.«
    »Na, dann solltest du etwas unternehmen«, meinte Veder.
    »Schließlich bist du unser Mann im Kirschtal - oder etwa nicht?« fragte Kader.
    »Aber gewiß doch, gewiß doch«, beteuerte Jossi.
    Er katzbuckelte und ging ihnen um den Bart, aber Veder und Kader mochten ihn nicht, das merkte man. Einen Verräter mag sicher niemand, selbst wenn er einem nützt.
    Seine Ohren durfte er immerhin behalten, die schnitten sie ihm nicht ab. Aber sie taten etwas anderes, sie brannten ihm das Katlazeichen ein.
    »Alle Tengilmänner müssen das Katlazeichen tragen, selbst ein Verräter wie du«, sagte Veder. »Damit du beweisen kannst, wer du bist, falls mal ein Kundschafter, der dich nicht kennt, ins Kirschtal kommt.«
    »Aber gewiß doch, gewiß doch«, beteuerte Jossi wieder. Sie befahlen ihm, Jacke und Hemd aufzuknöpfen, und brannten ihm mit einem Brenneisen, das sie im Feuer erhitzt hatten, das Katlazeichen auf die Brust. Als ihn das glühende Eisen traf, schrie Jossi auf. »Ja, fühl nur, wie

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