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Nacht der Wahrheit

Nacht der Wahrheit

Titel: Nacht der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knip
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Talon Nummer 22

    „Nacht der Wahrheit“

    von
    Thomas Knip

    Der Hauptmann der ägyptischen Soldaten übersah die zur Dankbarkeit angebotene Hand geflissentlich. Er bedachte Talon mit einem wütenden Seitenblick, während er den Atem gepresst zwischen den Lippen ausstieß. Der Schweiß lief in Bächen über die getönte Haut und ließ sie im Licht der späten Nachmittagsonne dunkel glänzen.
    In seiner Rechten hielt er das halblange Schwert fest umklammert. Die breite Spitze zitterte leicht. Er hatte dem Mann aus dem Dschungel nur mit größter Mühe folgen können und versuchte sich die Schwäche, die der Gewaltmarsch verursachte, nicht anmerken zu lassen. Weder gegenüber Talon noch gegenüber den wütenden Dorfbewohnern, die seinen Soldaten mit unterdrückter Wut gegenüberstanden.
    Sollte die Verfolgung die Männer angestrengt haben, so ließen es sich die Ägypter nicht anmerken. Ihre dunklen Augen leuchteten vor Entschlossenheit. Sie folgten jeder Bewegung der bewaffneten Männer vor sich, unter denen sich die ersten Anzeichen von Unruhe breit machten. Die halbmondförmigen Klingen der langen Speere waren in einer Linie auf die Bewohner des Dorfes gerichtet.
    Talon spürte die wachsende Anspannung, die in beiden Gruppen zunahm. Es würde nicht mehr lange dauern, bis eine der Parteien einen unüberlegten Schritt tat und damit ein Blutbad anrichten konnte.
    Unvermittelt ging er vor der bewusstlos am Boden liegenden Nayla in die Knie und hob sie an. Er legte sie über seine ausgestreckten Arme, den blutbesudelten Kopf der jungen Frau an seine rechte Schulter gelegt. Langsam, mit gleichmäßigen Bewegungen, drehte er sich um und schritt auf die Richtung zu, aus der er gekommen war.
    „Decke meinen Rücken“, raunte er Nefer im Vorbeigehen leise zu. Der Ägypter nickte so unmerklich, dass Talon sich zuerst nicht sicher war, ob er ihn tatsächlich verstanden hatte. Zwischen seinen Soldaten bildete sich eine Öffnung, durch die der hochgewachsene Mann mit den rotbraunen Haaren den Weg zum Fluss suchte.
    Stimmen des Unmuts klangen hinter ihm auf. Die ersten Männer machten ihrer Wut lautstark Luft. Talon konnte ihre Worte nicht verstehen. Der Dialekt dieser Gegend war ihm völlig fremd. Dann jedoch hörte er, wie Nefer mit seiner sonoren Stimme auf die Dorfbewohner einredete. Der Klang der Worte wirkte gleichermaßen fest wie auch beschwichtigend. Für Talon war es ein gewagtes Spiel, das Nefer betrieb. Die Ägypter hatten das Moment der Überraschung auf ihrer Seite gehabt. Doch sie waren den Männern im Dorf zahlenmäßig deutlich unterlegen. Wenn es dem Hauptmann nicht gelingen sollte, die wütende Menge zu besänftigen, rechnete er sich keine große Chance für ihre Flucht aus.
    Inzwischen hatte er das Ufer des ruhig dahinplätschernden Flusses erreicht. Auf der anderen Seite lagen stromabwärts noch immer die Körper der beiden toten Frauen. Talon betrachtete sich das Gesicht des Mädchens in seinen Armen. Selbst jetzt waren Linien voller Schmerz und Anspannung in die jungen Gesichtszüge eingegraben. Er konnte nur erahnen, was in ihr vorging.
    Talon wollte so schnell wie möglich in den Schutz des Dschungels eintauchen. Der Wortwechsel hinter ihm wurde leiser, doch er hielt immer noch an. Offensichtlich gelang es dem ägyptischen Hauptmann tatsächlich, die Dorfbewohner von ihrem nur mehr als verständlichen Wunsch auf Rache abzuhalten.
    Das kühle Wasser des Flusses umspielte seine Füße. Er atmete laut hörbar auf. Die kräftezehrende Verfolgung zeigte ihre Spuren, doch die Kälte brachte etwas Ruhe in seinen Körper zurück. Noch bevor er das andere Ufer erreicht hatte, hörte er hinter sich das gleichmäßige Geräusch von aufeinander schlagenden Metallplatten.
    Offensichtlich war an Nefer ein Diplomat verloren gegangen, schoss es Talon in einem Anflug von Sarkasmus durch den Kopf. Er durchquerte den Fluss und wandte sich am anderen Ufer nach den Männern um.
    Zwischen den vereinzelt stehenden hoch aufschießenden Bäumen, die das Dorf zum Fluss hin begrenzten, zeichneten sich die Umrisse der Ägypter ab, die sich mit langsamen Schritten zurückzogen. Talon konnte die Anspannung in den Gesichtern der Männer selbst aus dieser Entfernung deutlich erkennen. Noch immer hielten die Soldaten die Speere wie einen Schutz vor sich und deckten damit Nefer vor möglichen Angriffen. Er selbst hatte seine Augen mit einem undeutbaren Blick auf Talon gerichtet und durchschritt nun den Fluss. Das bronzene Kurzschwert

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